Grippeschutzimpfungen

Erstes Modellprojekt: Apotheker impfen in Nordrhein Lothar Klein, 09.07.2020 10:35 Uhr

Geht voran: Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbandes Nordrhein, vereinbarte das erste Modellprojekt für Grippeschutzimpfungen durch Apotheker. Foto: AVNR
Berlin - 

Lange hat es gedauert – jetzt ist es unter Dach und Fach: Die AOK Rheinland/Hamburg und der Apothekerverband Nordrhein (AVNR) haben sich auf ein Modellvorhaben zur Grippeschutzimpfung in Apotheken in Nordrhein geeinigt. Im Rahmen dieses bundesweit ersten vertraglich vereinbarten Modellvorhabens sollen Impfungen in den Apotheken mit Beginn der kommenden Grippesaison im Herbst ergänzend zu den Grippeimpfungen in den Arztpraxen durchgeführt werden. Das teilte der ANVR mit.  

Die Vertragspartner erfüllten damit den Auftrag des Gesetzgebers im Kontext des zum 1.März 2020 in Kraft getretenen Masernschutzgesetzes. Demnach sollen Apothekerinnen und Apotheker in öffentlichen Apotheken Versicherte der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im Rahmen von Modellvorhaben gegen Influenza impfen. Das Modellvorhaben läuft laut AVNR über einen Zeitraum von drei Jahren und wird nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Standards begleitet und ausgewertet.

„Wir freuen uns, dass wir mit der AOK Rheinland/Hamburg jetzt bundesweit den ersten Vertrag im Rahmen eines Modellvorhabens zur Grippeschutzimpfung vereinbaren konnten“, sagt Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbandes Nordrhein: „Unser Ziel ist es, die Durchimpfungsraten weiter zu steigern. Dabei sehen wir unser Angebot als eine Ergänzung zum Impfangebot der Ärzteschaft.“ Bislang seien nur rund 35 Prozent der Bundesbürger ab 60 Jahren gegen Grippe geimpft, ergänzt Preis und weist darauf hin, dass Deutschland von den auch von der Weltgesundheitsorganisation WHO angestrebten 75 Prozent noch weit entfernt sei.

Bevor die Impfungen in Apotheken im Rahmen des Modellvorhabens durchgeführt würden, müssen die daran teilnehmenden Apothekerinnen und Apotheker eine spezielle Fortbildung absolvieren. Dazu habe die Bundesapothekerkammer entsprechende Leitlinien erarbeitet, so Preis. Günter Wältermann, Vorstandsvorsitzender der AOK Rheinland/Hamburg, betont, dass sich die Gesundheitskasse bundesweit bereits im Oktober letzten Jahres aktiv für das zusätzliche Impfangebot beim Grippeschutz in Apotheken eingesetzt habe: „Dieser weitere, niedrigschwellige Zugang zur Impfung macht es den Menschen leichter, sich gegen Influenza impfen zu lassen. Die Grippeschutzimpfung ist eine der bedeutendsten und wirksamsten präventiven Maßnahmen: Mit ihr können viele Grippetote vermieden werden“, erklärt Wältermann.

Allein die Grippewelle 2017/2018 habe über 25.000 Menschen in Deutschland das Leben gekostet. Daher sei es sinnvoll, wenn mit den Apotheken vor Ort eine weitere qualitätsgesicherte und patientennahe Anlaufstelle im Gesundheitswesen genutzt würde, um die Durchimpfraten zu erhöhen, so Wältermann. Die positiven Erfahrungen mit vergleichbaren Angeboten durch Apotheken in anderen europäischen Ländern würden nachweislich eine deutliche Steigerung der Durchimpfungsrate belegen.

Das jetzt ausgerechnet Nordrhein mit dem ersten Modellprojekt vorangeht, war lange Zeit nicht absehbar. Denn noch vor gut einem Jahr hatte sich die Apothekerkammer Nordrhein unter ihrem damaligen Präsidenten Lutz Engelen gemeinsam mit den Ärzten gegen das Impfen durch Apotheker gestellt: Apotheker- und Ärzteschaft seien einig, dass jede Berufsgruppe ihre besondere Kompetenz einbringe. „Die klassische Arbeitsteilung unserer Heilberufe zum Wohle der Patienten hat sich bewährt“, erklärten die beiden Kammerpräsidenten im Mai 2019. Impfungen müssten daher auch künftig bei Ärzten stattfinden, genauso wie Apothekern als Experten für Arzneimittel das Recht zur Abgabe apothekenpflichtiger Humanarzneimittel im heutigen Umfang erhalten bleiben müsse. „Wir brauchen keine Impfungen in Apotheken und kein Dispensierrecht für die Ärzteschaft.“