Aktualisierte Leitlinie

Posttraumatische Belastunggstörung – Kinder wurden ergänzt Alexandra Negt, 23.01.2020 13:30 Uhr

Leiden Kinder und Jugendliche unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung, so sollten keine Psychopharmaka eingesetzt werden. Laut aktualisierter Leitlinie soll der Fokus auf einer Gesprächstherapie liegen. Quelle: SabOlga/Shutterstock.com
Berlin - 

Die bisherige Leitlinie „Posttraumatische Belastungsstörungen“ aus dem Jahr 2011 wurde überarbeitet und aktualisiert. Neben der Anpassung einer angemessenen medikamentösen Therapie wurde die Leitlinie um zwei Kapitel erweitert: „Behandlung von Kindern und Jugendlichen“ und „Komplexe Posttraumatischen Belastungsstörungen“.

Diagnose bei Kindern und Jugendlichen

Die Befunderhebung sollte durch einen Selbst- und Fremdbericht erfolgen. Dabei ist ein altersadäquates Vorgehen wichtig. Der familiäre und kulturelle Kontext ist zu berücksichtigen. Eltern und Bezugspersonen können wichtige Informationen zu Erlebnissen in der Vergangenheit liefern.

Es wird ein PTBS-spezifisches Screening-Verfahren mit strukturierten klinischen Interviews und speziellen Tests empfohlen. Potenziell gefährdende Begeleitsymptome wie eine mangelnde Affektregulation und Impulskontrolle, dissoziative Symptome, Substanzmissbrauch, Selbstverletzungen, Suizidalität und/oder Störungen des Sozialverhaltens müssen diagnostisch abgeklärt werden.

Therapie bei Kindern und Jugendlichen

Es wird eine traumafokussierte kognitive Verhaltenstherapie empfohlen. Der Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen sind zu berücksichtigen. Die Eltern oder Bezugspersonen werden intensiver als bei Erwachsenen in die Therapie miteinbezogen. Von einer Psychopharmakotherapie wird bei Minderjährigen grundsätzlich abgeraten. Aufgrund ihres Suchtpotenzials sollten auch keine Benzodiazepine eingesetzt werden.

Ergänzend sollten weiterere Risikofaktoren wie „Viktimisierung“ bei Opfern von Gewalt fokussiert werden. Der Begriff steht dafür, dass Betroffene das Geschehen nicht verarbeiten, sondern selbst immer wieder in die Opferrrolle zurückfallen. Bei schwerwiegenden komorbiden Störungen und akuter Suizidalität sind vor dem Therapiebeginn geeignete Interventionen einzuleiten. Zu Behandlungsbeginn sollte ebenfalls die aktuelle Gefährdung (anhaltende Bedrohung durch Täter) abgeklärt werden.

Diagnose bei Erwachsenen

Die Diagnose einer PTBS ist komplex und setzt sich aus folgenden Punkten zusammen:

  • Internationalen klinische Kriterien (ICD)
  • Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF)
  • posttraumatischen Auswirkungen auf die Salutogenese (Gesundheitsentstehung)
  • aktuelle Lebenssituation
  • Komorbiditäten
  • gesellschaftliche Aktivitäten und soziale Teilhabe
  • persistierende Täterkontakte
  • Gewaltbeziehungen
  • Aufenthaltsstatus bei Flüchtlingen sowie regionale medizinische Versorgungsmöglichkeiten

Behandlung bei Erwachsenen

Der Fokus sollte auf einer traumafokussierten Psychotherapie mit Schwerpunkt auf der Verarbeitung der Erinnerung an das traumatische Ereignis liegen. Desweiteren sollten Trauerprozesse überprüft werden. Gegebenenfalls sollte eine soziale Neuorientierung, Neubewertung und Selbstwertstabilisierung erfolgen.

Der Einsatz von Psychopharmaka

Die medikamentöse Therapie sollte maximal als Zusatz erfolgen. Darüber hinaus gehört der Einsatz von Psychopharmaka nicht zur primären Therapie. Nur in Einzelfällen finden die Wirkstoffe Sertralin, Paroxetin oder Venlafaxin (Off-Label-Use) Anwendung. Benzodiazepine sollten nicht verschrieben werden. Als hilfreich hat sich der Einsatz von adjuvanten Verfahren erwiesen – Ergotherapie, Kunsttherapie, Musiktherapie, Körper- und Bewegungstherapie oder Physiotherapie können Teil des Behandlungsplan sein.

Behandlung komplexer Formen

Die Leitlinie hat die komplexe Form neu mit aufgenommen. Hier wird die psychotherapeutische Behandlung mit einer Kombination traumafokussierter Techniken eindeutig empfohlen. Auch bei Kindern und Jugendlichen sollte eine kombinierte Therapie erfolgen. Durch die Verarbeitung der negativen Erinnerung sollen Bindungsprobleme behoben werden.

Die Erkrankung

PTB tritt als eine verzögerte psychische Reaktion auf ein extrem belastendes Ereignis, eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes auf. Die Länge der Traumata kann unterschiedlich sein. Mögliche Ereignisse können schwere Unfälle, Gewaltverbrechen, Naturkatastrophen oder Kriegshandlungen sein. Die Betroffenen leiden unter Gefühlen wie Angst, Schutzlosigkeit, Hilflosigkeit und Kontrollverlust.

Symptome:

  • Wiedererleben (Tagträume und Flashbacks)
  • Albträume
  • emotionales Abstumpfen
  • Gleichgültigkeit und Teilnahmslosigkeit anderen Menschen gegenüber
  • aktive Vermeidung von bestimmten Aktivitäten
  • Geschwächtes Erinnerungsvermögen
  • vegetative Übererregtheit, Reizbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten
  • Schlafstörungen
  • erhöhte Wachsamkeit oder ausgeprägte Schreckhaftigkeit