Hohenlinden

Doch kein Happy End für Apotheke Daniel Segal, 10.09.2016 08:20 Uhr

Berlin - 

Wegen einer schweren Erkrankung hatte sich Uwe Scheerschmidt aus Hohenlinden Ende vergangenen Jahres zur Aufgabe seiner Apotheke nach mehr als 30 Jahren entschlossen. Noch vor wenigen Wochen schien eine Nachfolge in Sicht. Doch das erhoffte Happy End ist wohl geplatzt.

„Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, wird Hohenlinden nach 45 Jahren seine Apotheke verlieren – ein Umstand, den ich meinen treuen Kunden so gerne erspart hätte.“ Mit diesen Worten wandte sich Uwe Scheerschmidt am Dienstag an APOTHEKE ADHOC, kurz nachdem es noch so aussah, als ob der Pharmazeut durch einen Makler eine Nachfolge gefunden hätte.

Es habe sich ein ernsthafter Interessent gefunden, hatte Scheerschmidt noch vor Kurzem gesagt und sich zuversichtlich gegeben: „Ich denke, dass es funktionieren wird.“ Nach mehreren Wochen, die sich der „Bewerber” für seine Entscheidung Zeit gelassen habe, sei es jetzt jedoch zur Absage gekommen. „Das kam sehr überraschend für mich, da er mir bei seinen doch recht häufigen Besuchen in meiner Apotheke immer versichert hat, wie sehr sie ihm gefallen würde. Diese plötzliche Kehrtwende kann ich deshalb nicht nachvollziehen“, so der Pharmazeut. An seinen Preisvorstellungen könne es jedenfalls nicht gelegen haben, sagt Scheerschmidt, dem es „in erster Linie immer nur um den Fortbestand der Apotheke” gegangen sei.

Fast ein halbes Jahrhundert gibt es die Forst-Apotheke in Hohenlinden, 35 Kilometer östlich von München mittlerweile schon. Scheerschmidt hat die Offizin 1984 übernommen – und steht den 2800 Einwohnern des kleinen bayerischen Orts seitdem mit Rat und Tat zur Seite. Als Scheerschmidt Anfang des Jahres der Kundschaft nach und nach mitteilte, dass er seine Apotheke für immer aufgeben werde, war die Enttäuschung auf der einen Seite kaum zu verbergen: „Ich habe schon großes Bedauern wahrgenommen“, erzählt er und ergänzt: „Viele haben bei der Gelegenheit auch betont, dass sie sich bei mir immer gut beraten gefühlt haben.“ Ein großes Sympathie- und Vertrauensbekenntnis, das „die Seele berührt“ habe, wie es Scheerschmidt formuliert.

Wirklich übel genommen haben es die Hohenlindener „ihrem“ Apotheker aber ohnehin nicht, dass er die Pharmazie-Welt für immer hinter sich lassen will. Und zwar nicht nur deshalb, weil sie dem 66-Jährigen seinen wohlverdienten Ruhestand inklusive zahlreicher Hobbys durchweg gönnen. Der Hauptgrund, weshalb die Kunden viel Verständnis für die Apothekenaufgabe haben, ist ein anderer: Am zweiten Weihnachsfeiertag vergangenen Jahres machte urplötzlich Scheerschmidts Herz nicht mehr mit. Es folgten OP, Reha – und ein ärztlicher Rat, der besagte, dass er sich aus dem Berufsleben zurückziehen solle.

Schon ein paar Monate zuvor hatte Scheerschmidt für sich die Entscheidung getroffen, die Suche nach einer Nachfolge einzuleiten. Eilig hatte er es damit aber nicht. „Erst meine Erkrankung hat mir deutlich gemacht, dass ich in jedem Fall aufhören muss – und zwar auch dann, wenn ich niemanden finden sollte, der meine Apotheke übernimmt.“ Tatsächlich gestaltete sich die Suche mehr als schwierig.

„Ich habe es im Großhandel, bei Industrievertretern und auch Kollegen in der Umgebung erzählt, gemeldet hat sich aber niemand“, sagt Scheerschmidt, der sich das eigentlich ganz anders vorgestellt hatte. So habe er von seiner Arbeit doch immer gut leben können. Millionär sei er natürlich nicht geworden, aber die Reisen, die er mit seiner Frau schon immer gerne unternommen hat, seien zum Beispiel immer drin gewesen.

Scheerschmidt hatte sich schließlich an einen Makler gewandt, um doch noch eine Nachfolge zu finden. Dabei ging es ihm auch um seine Kundschaft: „Hohenlinden ist ein relativ isolierter Ort. Wie sollen denn ältere Menschen zur Apotheke kommen?“ Vier Kilometer seien es zur nächsten Offizin, doch wer kein Auto besitze und auch keine Familie vor Ort habe, für den sei das eine nahezu unüberwindbare Strecke.

Am 30. November wird Scheerschmidt seinen letzten Arbeitstag haben. Dann wird er in das neue Haus fahren, das er sich gemeinsam mit seiner Frau gekauft hat, und einen neuen Lebensabschnitt beginnen. Sprachen will Scheerschmidt lernen, sich um den Garten kümmern, verreisen und vieles mehr. Inzwischen hat ihm sein Arzt auch wieder Sport erlaubt. Als die Scheerschmidts letztens im Chiemsee ihre Runden drehten, konnte seine Frau nur staunen: „Das gibt's ja nicht, jetzt schwimmst du mir schon wieder davon.“

Noch schneller könnte Scheerschmidt wohl schwimmen, wenn er seine langjährigen Kunden in den Händen eines neuen Apothekers wüsste, der sich mit genauso viel Engagement um die gesundheitlichen Belange der Hohenlindener kümmern würde wie er selbst. Und so bleibt nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass das Wunder doch noch geschieht und die Forst-Apotheke einen neuen Eigentümer findet.