Schweden

Tankstelle statt Apotheke Julia Pradel, 11.09.2009 10:05 Uhr

Berlin - 

In weniger als zwei Monaten können in Schweden nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel an Tankstellen und in Supermärkten verkauft werden. Mittlerweile stehen Details zu Verkaufsbedingungen und Arzneimittelsortiment fest.

Die schwedische Arzneimittelaufsicht hat eine Übersicht aller Medikamente herausgegeben, die zum 1. November aus der Apothekenpflicht entlassen werden. Neben Erkältungsmitteln, Nasensprays, Mitteln gegen Sodbrennen, Abführmitteln, Entschäumern stehen auch Antimykotika, Mittel gegen Haarausfall, kortisonhaltige Dermatika, Kopfschmerzmittel, pflanzliche Beruhigungsmittel und sogar die „Pille danach“ auf der Liste.

Einzelhändler, die künftig rezeptfreie Arzneimittel vertreiben wollen, müssen sich bei den Behörden registrieren. Die OTC-Produkte dürfen nur an über 18-jährige Verbraucher abgegeben werden. Die Medikamente müssen so im Verkaufsraum platziert sein, dass sie der direkten Aufsicht des Personals unterliegen und deutlich ist, dass es sich bei den Produkten um Arzneimittel handelt. Dabei ist allerdings noch unklar, ob dies eine mit Personal ausgestattete Fachabteilung, einen Schrank hinter dem Ladentisch oder ein Regal im Verkaufsraum sein soll.

Die Medikamente müssen getrennt von nicht-pharmazeutischen Produkten und entsprechend der jeweiligen Vorgaben gelagert werden. Die Einzelhändler sind außerdem verpflichtet, Medikamente zurückzunehmen und zusammen mit verfallenen Arzneimitteln ordnungsgemäß zu entsorgen.

Eine besondere Schulung braucht das Personal nicht; der Ladenbetreiber hat jedoch die Pflicht, seine Mitarbeiter über die Vorschriften zu Lagerung und Vertrieb zu informieren. Falls bei den Verbrauchern Bedarf nach Beratung besteht, sind die Ladenangestellten verpflichtet, ihnen die nächste Apotheke zu nennen.

Schwedens Einzelhändler zeigen sich zufrieden mit den neuen Regelungen: Sie entsprächen ihren Erwartungen und ließen sich ohne große Mühe umsetzen, so ein Sprecher der Branche. Die Supermarktketten Seven Eleven und ICA haben schon Interesse am Einstieg in des Geschäft mit den rezeptfreien Medikamenten bekundet. Außerdem planen Shell, Statoil und OKQ8 - drei der vier führenden Tankstellenketten Schwedens - künftig nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel anzubieten. Für die Tankstellen seien besonders Medikamente gegen Reisekrankheit interessant, so Statoil.

Nikotinpräparate dürfen schon seit 2008 über den Einzelhandel vertrieben werden. 2001 hatte Schweden im Zuge eines Streits um den Verkauf von Nikotinpräparaten den Europäischen Gerichtshof um Klärung gebeten. Dieser hatte 2005 das staatliche Apothekenmonopol Schwedens zwar grundsätzlich bestätigt, jedoch in der Umsetzung Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht festgestellt.

Bei den Wahlen 2006 wurden die Sozialdemokraten von einer bürgerlichen Regierung abgelöst, die sich die Abschaffung staatlicher Monopole zum Ziel gesetzt hat. Weit über den Apothekenmarkt hinaus ist die Regierung in dieser Legislaturperiode aber nicht gekommen.