Schweiz

Medikamente im Supermarkt: Migros macht Druck APOTHEKE ADHOC, 12.05.2017 11:06 Uhr

Berlin - 

Die Abgabe von Arzneimitteln soll in der Schweiz ab 2019 neu geregelt werden. Einerseits sollen Apotheker mehr Medikamente ohne Rezept abgeben dürfen, andererseits werden einige Arzneimittel aus der Apothekenpflicht entlassen. Um bei der Umverteilung nicht leer auszugehen, versucht sich der Lebensmittelkonzern Migros in Stellung zu bringen. Apotheker warnen vor den Gefahren von Arzneimitteln in Supermarkt-Regalen.

Die Palette der OTC-Arzneimittel ist breit gefächert. Sie reicht von Halsschmerztabletten und Nasensprays über hochdosierte Aufbau- und Vitaminpräparate bis zu Rheumasalben und Schmerztabletten. Die meisten dieser Medikamente dürfen auch in der Schweiz nur mit entsprechender Fachberatung verkauft werden. Im Gegensatz zu Deutschland sind allerdings viele dieser Arzneimittel in Drogerien zu finden.

Doch nun soll die Liste C, die apothekenpflichtige OTC-Medikamente umfasst, aufgelöst werden. Dadurch kommt es auch in anderen Listen zu Verschiebungen. Derzeit prüft die Heilmittelbehörde Swissmedic, welche Medikamente künftig in Apotheken und Drogerien und welche in Supermärkten verkauft werden dürfen. Die betroffenen Branchen können dazu bei Swissmedic ihre Vorschläge einreichen.

Die Supermarktkette Migros etwa will sämtliche Einreibemittel gegen Muskel-, Gelenk- und Rheumabeschwerden sowie Schmerzmittel auf pflanzlicher Basis mit Weidenrinde-Pulver in ihren Regalen sehen. Auch Magen-Darm-Mittel gegen Übersäuerung und Sodbrennen, pflanzliche Abführmittel, Vitaminprodukte aller Dosierungen, Tropfen gegen trockene Augen sowie Mittel gegen Neurodermitis, Psoriasis und Ekzeme stehen laut einem Bericht der Zeitung Tagesanzeiger auf der Wunschliste.

Dabei erhebt Migros ausgerechnet Deutschland zu Vorbild. „Wir wollen deutsche Verhältnisse, die aber im Vergleich mit England oder Amerika immer noch sehr moderat sind“, wird Martin Schläpfer, Leiter der Direktion Wirtschaftspolitik bei Migros, zitiert. Heute deckten sich Schweizer Kunden im grenznahen Raum mit Produkten ein, die in der Schweiz nur in Apotheken und Drogerien verkauft werden dürfen. In deutschen Drogerien seien frei verkäufliche Arzneimittel zum Teil erheblich günstiger. Schuld daran sei der fehlende Preiswettbewerb, sagte Martin Schläpfer, Leiter der Direktion Wirtschaftspolitik bei der Migros, zur Zeitung.

Die Apotheker und Drogisten warnen jedoch davor, den Wünschen des Einzelhandels nachzugeben. Ihrer Meinung nach bedürfen einige Präparate durchaus einer Fachberatung, weil sie bei unsachgemäßem Gebrauch Schäden verursachen können. Dazu würden etwa auch Vitaminpräparate in hohen Dosierungen zählen. „Im Selbstbedienungsladen gibt es an der Kasse niemanden, der die Leute berät“, sagte Pharmasuisse-Generalsekretär Marcel Mesnil im Gespräch mit Tagesanzeiger. Die Patienten müssten sich auf ihre eigene Einschätzung verlassen, die auch falsch sein könne. In der Apotheke oder Drogerie könne dagegen eine falsche Selbsteinschätzung im Beratungsgespräch korrigiert werden.

Auch der Drogistenverband lehnt den Vorstoß von Migros ab. Auch ein solches vermeintlich unproblematische Präparat wie Johanniskraut-Dragées könnten im Zusammenhang mit anderen Medikamenten unerwünschte Nebenwirkungen haben und bedürfe daher einer Fachberatung. So könne Johanniskraut bekanntlich die Wirkung der Antibabypille abschwächen.

Das Beispiel mit hoch dosiertem Johanniskraut führten die Drogisten immer wieder an, sagt dagegen Jürg Maurer, stellvertretender Leiter der Direktion Wirtschaftspolitik bei Migros. Der Migros sei jedoch kein einziger Fall bekannt, bei welchem es mit einem frei verkäuflichen Johanniskrautpräparat zu den genannten Interaktionen gekommen sei. Das Gleiche gelte auch für hoch dosierte Vitaminpräparate. „Wir fordern keine Höchstdosierungen, sondern moderat dosierte Präparate, die in Deutschland in jedem Supermarkt seit Jahren erhältlich und absolut selbstbedienungstauglich sind“, betonte er im Tagesanzeiger.

Die Liberalisierung der Medikamentenabgabe soll im Jahr 2019 in Kraft treten. Doch die Umverteilung soll nicht zu amerikanischen Verhältnissen führen. Dort dürfen auch Schmerzmittel wie Aspirin im Ladenregal stehen. „Solche Arzneimittel wird man nie in den Supermarktregalen finden können“, versicherte Fabian Vaucher, Präsident der Schweizer Apothekerverbandes Pharmasuisse gegenüber APOTHEKE ADHOC.