Großbritannien

Regierung will weiter privatisieren Patrick Hollstein, 19.09.2007 12:52 Uhr

Berlin - 

Die britische Regierung will durch eine weitere Privatisierung das angeschlagene Gesundheitswesen modernisieren. Wie das Fachblatt „Pharma Times“ berichtet, stehen vor allem die Regulierungen bei den Hausärzten zur Disposition. Drogerie- und Apothekenketten wie Boots, aber auch Supermärkte wittern bereits ihre Chancen. Denn die Regierung will privaten Anbietern möglicherweise erlauben, Arztpraxen in ihren Geschäftsräumen anzusiedeln.

Das Gesundheitsministerium soll potenzielle private Gesundheitsanbieter zu einem im Oktober stattfindenden Treffen eingeladen haben, bei dem erörtert werden soll, wie der Zugang zu Allgemeinärzten verbessert werden kann. Ebenfalls im Oktober wird das Ministerium einen Zwischenbericht zur Reform des staatlichen Gesundheitsdienstes NHS vorlegen, in dem Vorschläge zur Neuausrichtung des Hausärztebereichs enthalten sind.

Eines der Hauptprobleme bei der medizinischen Versorgung ist Großbritannien ist offenbar, dass die ohnehin knappen Hausärzte regulär aus dem Notdienst-System aussteigen können. In der Folge werden nicht nur die Notfallaufnahmen der Krankenhäuser unnötig belastet; Wartezeiten und Arbeitsausfälle sind ebenfalls ein Problem. Offiziellen Angaben zufolge müssen 10 Millionen Briten länger als 48 Stunden auf einen Termin beim Allgemeinarzt warten. Die Probleme werden dadurch verschärft, dass die Ärzte im Land ungleichmäßig verteilt sind.

Nun wollen Boots & Co. ihre Chance nutzen. Die britische Drogeriekette hat die möglichen Vorteile einer Privatisierung in einer Studie untersuchen lassen. Demzufolge summieren sich die derzeitigen Wartezeiten auf 3,5 Millionen Arbeitstage pro Jahr und die Kosten auf eine Milliarde Pfund. Ein Modellversuch mit einer so genannten „Instore-Praxis“ in einer Boots-Filiale in Poole sei außerordentlich positiv angenommen worden. Der britische Ärzteverband warnt dagegen vor einer Fragmentierung des Gesundheitswesens. Den Medizinern, die eigentlich entlastet werden sollen, dürfte auch die räumliche und kaufmännische Nähe der „In-Store Clinics“ zur Arzneimittelabgabe suspekt sein. In den USA, dem Heimatland der Instore-Clinics“, hat das Gesundheitsministerium angekündigt, die Praxen von Supermarkt- und Apothekenketten wie Wal-Mart, Walgreens und CVS genauer unter die Lupe zu nehmen.