Schweden

Ketten wollen nicht aufs Land Benjamin Rohrer, 05.01.2012 11:14 Uhr

Berlin - 

Eigentlich sollte sich durch die Liberalisierung des schwedischen Apothekenmarktes die Arzneimittelversorgung in den ländlichen Gebieten verbessert werden. Bislang ist dieser Plan jedoch nicht aufgegangen: Ein von der Regierung beauftragtes staatliches Wirtschaftsinstitut kommt in einem Gutachten zu dem Schluss, dass hauptsächlich die Stadtbevölkerung von den Neugründungen profitiert. Auf dem Land hat sich für die Bürger nichts verbessert.

 

Das Institut „Tillväxtanalys“ war im Sommer 2009 beauftragt worden, die Auswirkungen der Marktöffnung bis 2012 zu untersuchen. In einem Zwischenbericht zieht das Institut ein ernüchterndes Fazit: Die Apothekenzahl ist zwar um 34 Prozent auf nunmehr 1242 angestiegen. Von den 317 neuen Standorten wurden jedoch 314 in städtischen Gebieten mit mehr als 3000 Einwohnern eröffnet, wo die Versorgung auch schon vor der Deregulierung sehr gut war. Lediglich drei neue Apotheken gibt es an Stadträndern. In abgelegenen ländlichen Regionen ist laut Bericht keine einzige neue Apotheke hinzu gekommen.

Die Zahl der Schweden, die länger als 20 Minuten zur nächsten Apotheke fahren müssen, ist demnach zwar um 8000 gesunken. Sie liegt laut Gutachten allerdings unverändert hoch: bei knapp 130.000 Einwohnern. Das sind zwar rein rechnerisch nur 1,4 Prozent der gesamten Bevölkerung, allerdings leben 90 Prozent aller Einwohner ohnehin im bevölkerungsreichen Süden des Landes. Die leichte Verbesserung ergebe sich zudem eher durch demographische Faktoren, etwa dem konstanten Bevölkerungsrückgang auf dem Land.

 

 

Ein gemischtes Bild zeichnet „Tillväxtanalys“ im OTC-Bereich: Seit einige nicht verschreibungspflichtige Medikamente auch in Supermärkten und Tankstellen verkauft werden dürfen, ist die Zugänglichkeit zu OTC-Präparaten deutlich besser geworden. Obwohl auch hier mehr als die Hälfte der Anbieter aus Städten kommt, sind die OTC-Shops laut Gutachten gut verteilt. Sehr dünn besiedelte Gebiete haben jedoch keine spürbare Verbesserung erfahren: Nur 4 Prozent aller OTC-Anbieter haben sich in Ortschaften niedergelassen, von denen aus Städte schwer erreichbar sind.

Konterkariert wird der Effekt durch die stetige Abnahme von sogenannten „Apothekenbeauftragten“, das sind externe Abgabestellen für OTC-Arzneimittel: Der geschrumpfte Staatsbetrieb Apoteket beauftragt derzeit rund 750 Supermärkte in kleineren Ortschaften mit der Abgabe von nicht verschreibungspflichtigen Präparaten. Das Sortiment wird von den lokalen Gesundheitsbehörden festgelegt und von Apoteket an die Märkte verschickt.

Vor 2009 hatte die Zahl noch bei knapp 970 gelegen. Laut Bericht hat der Rückgang allerdings nichts mit der Liberalisierung zu tun, sondern sei eher mit dem allgemeinen Rückgang kleinerer Gewerbeunternehmen aus dem ländlichen Raum zu begründen. Allerdings müssten nun mehr als 68.000 Bürger weiter zur nächsten Abgabestelle fahren.