Werbeverbot für OTC-Arzneimittel

EuGH: Keine Mengenrabatte in Apotheken Patrick Hollstein, 23.12.2022 11:04 Uhr

Die Apothekenkette Euroaptieka aus Lettland darf nicht mehr mit Mengenrabatten werben. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) schlägt seit seinem Urteil zu Rx-Boni eine zunehmend restriktivere Linie ein. Nachdem bereits Shop Apotheke und DocMorris mit ihren Rabatt- und Werbeaktionen eine Abfuhr erhielten, wurde nun auch ein Mengenrabatt der lettischen Apothekenkette Euroaptieka für unzulässig erklärt: Entsprechende Verbote in den Mitgliedstaaten seien mit EU-Recht vereinbar.

Im März 2016 kündigte Euroaptieka in ihrer Kundenzeitschrift und auf ihrer Website ein spezielles Angebot an: Wer mindestens drei Arzneimittel kaufte, sollte einen Preisnachlass von 15 Prozent bekommen. Die Aufsichtsbehörde untersagte die Aktion, da nach lettischem Recht Werbung für Arzneimittel verboten ist, die sich auf die Preise, auf Sonderangebote oder auf kombinierte Verkäufe von Arzneimitteln zusammen mit anderen Waren bezieht.

Nach einigem Hin und Her reichte die Kette 2020 eine Verfassungsbeschwerde ein, mit der die Rechtmäßigkeit der Vorschrift im Hinblick auf EU-Recht in Frage gestellt wurde. Im Kern ging es um die Frage, ob das Angebot überhaupt vom Verbot erfasst sei, da ja nicht für bestimmte Arzneimittel geworben wurde. Der Verfassungsgerichtshof legte die Sache in Luxemburg vor.

Schutz der Gesundheit

Laut EuGH sind vom Begriff „Werbung für Arzneimittel“ alle Maßnahmen „zur Information, zur Marktuntersuchung und zur Schaffung von Anreizen mit dem Ziel, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch eines bestimmten Arzneimittels oder unbestimmter Arzneimittel zu fördern“, erfasst. Bei einer anderen Auslegung würde der entsprechenden Vorschrift in der EU-Richtlinie „weitgehend ihre praktische Wirksamkeit genommen“. Das wesentliche Ziel, nämlich der Schutz der öffentlichen Gesundheit vor Risiken, die mit einer übermäßigen oder unvernünftigen Verwendung von Arzneimitteln einhergehen, würde nicht erreicht.

Den Richtern zufolge ist von einem Werbeziel dann auszugehen, wenn „Informationen verbreitet werden, die den Kauf von Arzneimitteln fördern, indem die Notwendigkeit eines solchen Kaufs anhand des Preises gerechtfertigt wird, ein Sonderverkauf angekündigt wird oder angegeben wird, dass ein kombinierter Verkauf zusammen mit anderen Arzneimitteln oder Waren erfolgt“. Daher gilt der Begriff „Werbung für Arzneimittel“ auch dann, wenn sich die Informationen auf unbestimmte Arzneimittel beziehen.

OTC-Kunden besonders anfällig

Das nationale Verbot sei daher nach der EU-Richtlinie grundsätzlich zulässig. Um Gefahren für die öffentliche Gesundheit zu verhindern, dürften Mitgliedstaaten solche Werbeinhalte verbieten, die den unzweckmäßigen Einsatz solcher Arzneimittel fördern könnten. Gerade Werbung für nicht verschreibungspflichtige und nicht erstattungsfähige Arzneimittel könne einen besonders großen Einfluss auf die Prüfung und die Entscheidung des Endverbrauchers ausüben – und zwar sowohl was die Qualität des Arzneimittels betreffe als auch hinsichtlich der zu kaufenden Menge.

Außerdem seien preisbezogene Werbung, die Werbung für Sonderangebote oder für kombinierte Verkäufe von Arzneimitteln zusammen mit anderen Waren geeignet, „die Verbraucher über ein wirtschaftliches Kriterium dazu zu veranlassen, diese Arzneimittel zu kaufen und einzunehmen, ohne eine sachliche Prüfung anhand der therapeutischen Eigenschaften der Arzneimittel und des konkreten medizinischen Bedarfs vorzunehmen“.

Trivialisierung von Arzneimitteln

Im Übrigen würden Arzneimittel dabei mit anderen Verbrauchswaren gleichgestellt, für die Preisnachlässe gewährt werden. „Nach Auffassung des Gerichtshofs leistet die preisbezogene Werbung und die Werbung für Sonderangebote oder für kombinierte Verkäufe zusammen mit anderen Arzneimitteln oder Waren daher der unzweckmäßigen und übermäßigen Verwendung von nicht verschreibungspflichtigen und nicht erstattungsfähigen Arzneimitteln Vorschub.“