Datenschützer kritisiert „Scheuklappenmentalität“

Kelber teilt gegen Gematik und BMG aus Hanna Meiertöns, 23.11.2022 12:28 Uhr

Prof. Ulrich Kelber ist der Bundesdatenschutzbeauftragte. Foto: IMAGO / Metodi Popow
Berlin - 

Der Bundesdatenschutzbeauftrage Ulrich Kelber äußerte sich in einem Interview mit dem Tagesspiegel kritisch zur Zusammenarbeit mit der Gematik und dem Bundesgesundheitsministerium (BMG). Er beschreibt eine „Scheuklappenmentalität“ beider Institutionen.

Anfang November hatte Kelber den Plänen der Gematik zur Einlösung der E-Rezepte mittels elektronischer Gesundheitskarte (eGK) eine Absage erteilt und auf die Einführung einer PIN für die eGK beharrt. In einem Interview mit dem Tagesspiegel ging er nun genauer auf die Zusammenarbeit der Datenschützer mit der Gematik und dem BMG ein.

Als Datenschützer habe man eigentlich keine besonderen Ansprüche an das Verfahren: Jede App müsse zum Beispiel Übertragungen verschlüsseln, auch wenn es dabei nicht um besonders sensible Daten gehe, so Kelber. „Da haben wir als Datenschutzaufsichtsbehörde eine gesetzliche Aufgabe und müssen intervenieren, wenn eine Lösung solche Sicherheitslücken aufweist, obwohl man die gleiche Funktionalität auch sicher haben könnte.“ Deshalb hatte Kelber unter anderem die Einführung einer PIN für die eGK gefordert.

„Duldung gibt es gar nicht“

Zu der „Duldung“ der Übertragung des E-Rezepts über die eGK ohne PIN, die durch die Gematik vorgeschlagen worden war, findet Kelber klare Worte: „Eine Duldung gibt es gar nicht. Man hat damit gefordert, dass wir unserer Aufsichtstätigkeit nicht nachkommen.“ Er widerspricht auch der Argumentation, dass der Nutzerkreis bisher nur sehr klein sei. Man müsse solche Schutzmaßnahmen von vornherein einplanen. Die Datenschützer seien viel zu spät eingebunden worden. „Da hat man dann gehofft, dass man eine Duldung bekommt, wie es genannt wird. Nach dem Motto, wir bekommen eine Frist und dann nochmal eine Frist und dann noch eine.“

Die Beratung sei auch danach nur sehr zögerlich angenommen worden: „Sehr lange waren das Bundesgesundheitsministerium und die Gematik zwei Institutionen, die leider erst spät im Verfahren auf uns zugegangen sind und dann auch eine gewisse Scheuklappenmentalität an den Tag gelegt haben, also vom einmal eingeschlagenen Weg nicht mehr abweichen wollten.“ Das habe sich aber gebessert.

Keine Prüfung, aber Gutachten?

Allerdings war auch Kelbers Vorgehen in Sachen E-Rezept nicht frei von Widersprüchen: Ende August teilte ein Sprecher auf Nachfrage mit: „Der BfDI unternimmt aktuell keine weiteren datenschutzrechtlichen Prüfungen zum Thema E-Rezept. Grundsätzlich beraten wir die Gematik bei allen neuen Entwicklungen. An den Spezifikationen für das E-Rezept auf Bundesebene, also den technischen und rechtlichen Vorgaben, haben sich aktuell keine Änderungen ergeben.“ Wenige Tage später wurde eine Stellungnahme an die Gematik verschickt und auch im Internet veröffentlicht, in der die Kritik am geplanten eGK-Verfahren dargelegt und ausführlich begründet wurde.