Kommentar

Wie schwer kann ein Abstrich sein? Alexandra Negt, 23.10.2020 10:42 Uhr

In den kommenden Wochen wird sich entscheiden, ob auch Apotheken ihre Patienten testen sollen. Wieso eigentlich nicht?  Foto: shutterstock.com/ Cryptopgrapher
Berlin - 

Die Infektionszahlen gehen durch die Decke, Hausärzte und Gesundheitsämter sind an ihrer Kapazitätsgrenze. Seit dieser Woche setzt die Regierung auf eine neue Teststrategie: Antigen-Schnelltests sollen helfen, Infektionsketten zu durchbrechen. In den kommenden Wochen wird sich entscheiden, ob auch Apotheken ihre Patienten testen sollen. Wieso eigentlich nicht? 

Die Nachfrage nach Tests kann in einigen Teilen Deutschlands nicht mehr bedient werden. So stehen Patienten etwa im besonders betroffenen Berliner Bezirk Neukölln aktuell mehrere Stunden für einen Nasen-Rachen-Abstrich an. Die Hausärzte in Bayern rufen nach Hilfe und fordern Maßnahmen, die die Praxen entlasten. Auch auf dem Land kann mitunter nicht ausreichend getestet werden, wenn der nächste Arzt Kilometer entfernt ist. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat schon vor Wochen erkannt, dass er die Ärzte auf Dauer nicht mit den Testungen alleine lassen kann.

Apotheker in voller Schutzmontur mit Maske und Visier – das ist ein ungewohntes Bild für die Offizin. Die Notdienstklappe für Abstriche zu nutzen oder in der Beratungsecke mehr als nur Blutdruck zu messen, wäre neu. Aber warum eigentlich nicht? In den letzten Monaten haben die Apothekenteams bewiesen, dass sie Infektionsschutz beherrschen. Und sie wären geradezu prädestiniert, diese Aufgabe zu übernehmen: Gut belüftet, mit ausreichend Platz und ebenerdig ohne Zugang über enge Treppenhäuser und volle Wartezimmer zu erreichen, wären sie den Praxen für Tests in der Breite weit überlegen. Für viele Menschen ist die Apotheke die erste Anlaufstelle bei Gesundheitsfragen – warum nicht die Krise als Chance nutzen und mehr Verantwortung übernehmen? Eine bessere Gelegenheit als jetzt wird nicht kommen. Mit der Durchführung von Coronatests könnten die Apotheken sich in kürzester Zeit unter den Gesundheitsberufen eine neue Position erarbeiten.

Wie riesig werden die Herausforderungen sein? Man kann einen Blick in die Schweiz wagen, wo die Apotheker im Kanton Zürich seit dieser Woche PCR-Abstriche anbieten. Neben einem System zur Online-Terminvergabe, einigen organisatorischen Vorbereitungen sowie Formularen, die seitens des Apothekerverbandes bereitgestellt wurden, und einer Zertifizierung zur Durchführung hat sich auf den ersten Blick nicht allzu viel geändert. Die Abrechnung mit den Krankenkassen ist geklärt.

Die Apotheken werden nicht umhinkommen, sich mit den Tests zu beschäftigen. Denn einige Schnelltests können von der Apotheke bereits über den Großhandel bestellt werden. Und das wird seit dieser Woche auch vermehrt gemacht. Denn genau da, wo die Apotheker bisher außen vor waren, ist nun ihre Beratungskompetenz gefragt: Alten- und Pflegeheime kommen auf die Apotheken zu und stellen Fragen zur Zuverlässigkeit, Mindestabnahmemenge und Art der Durchführung. Der Beratungs- und Schulungsbedarf ist da. Nun setzten sich die Pharmazeuten zwangsläufig mehr mit den verschiedenen Antigen- und Antikörpertests auseinander.

Interessant ist, dass sich nun auch die Abda nun für Testungen in der Apotheke ausspricht, waren die Standesvertreter doch bis vor Kurzem noch streng gegen diese Idee. Druck von politischer Seite könnte ein Grund für die Kehrtwende sein. Abda-Präsident Friedemann Schmidt äußert sich nur vorsichtig zur Umsetzung in den Apotheken. Stattdessen denkt er wieder einmal um die Ecke: Apotheker sollten andere Berufsgruppen im Umgang mit Abstrichtupfern schulen, so sein Vorschlag im Verbandsblatt PZ. Warum ruft er seine Kollegen nicht dazu auf, sie dann auch selbst durchführen?

Anders als beim Impfen werden Ärzte dankbar sein: Die Apotheke führt mit dem Antigen-Schnelltest eine Art „Vortest“ durch. Nur wenn das Ergebnis positiv ist, muss der Test mittels PCR-Methode bestätigt werden. Theoretisch könnte auch die zweite Probennahme dann gleich in der Apotheke erfolgen: Dabei wird exakt derselbe Abstrich erneut durchgeführt, nur dass diese Probe gesetzeskonform dreifach verpackt und an ein Labor übergeben wird.

So kann der Patient sich auf direktem Weg nach Hause begeben. Die Quarantäne kann direkt beginnen – kein Gang zum Arzt, keine Durchführung des Abstriches auf eigene Faust nach telefonischer Rücksprache mit dem Arzt von zu Hause aus. Die 19.000 Apotheken könnten durch die Durchführung von Coronatests einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung der Pandemie leisten.