Blutkörperchen verändern sich

Long-Covid: Liegt die Ursache in den Blutzellen? Cynthia Möthrath, 30.06.2021 15:08 Uhr

Sars-CoV-2 verändert die Blutzellen: Rote Blutkörperchen werden steifer in ihrer Bewegung, weiße Blutkörperchen hingegen weicher. Foto: ninjapoy/shutterstock.com
Berlin - 

Viele Covid-Erkrankte leiden noch Wochen und Monate nach der eigentlichen Infektion unter den Folgen. Forscher aus Erlangen könnten nun einen Hinweis auf die Ursache des sogenannten „Long-Covid“ gefunden haben: Demnach verändert sich durch Covid-19 die Verformbarkeit der Blutzellen – mit langanhaltenden Auswirkungen.

Sars-CoV-2 nimmt Einfluss auf den gesamten Körper und seine Funktionen: So ist unter anderem auch das Blutsystem betroffen. Bei schweren Verläufen kann es zu Entzündungen des Gefäßendothels kommen, außerdem drohen lebensgefährliche Thrombosen durch eine Veränderung der Blutgerinnung. Forscher:innen des Max-Planck-Instituts in Erlangen fanden nun heraus, dass auch die Blutkörperchen durch die Virusinfektion in Mitleidenschaft gezogen werden und sich verändern.

Demnach werden rote Blutkörperchen steifer in ihrer Bewegung, weiße Blutkörperchen hingegen weicher. Für ihre Untersuchungen nahmen die Wissenschaftler:innen die Blutproben von 17 unterschiedlich schwer erkrankten Covid-Patienten, 14 Genesenen und 24 gesunden Vergleichspersonen unter die Lupe. Alle Proben wurden mithilfe eines speziell entwickelten Gerätes auf ihre Echtzeit-Verformungszytometrie untersucht: Die verschiedenen Blutbestandteile strömen dabei durch einen sehr feinen Kanal, wodurch sie gestreckt werden. Dabei wird untersucht, wie stark sich jede einzelne Zelle verformt. Dieser Vorgang wird mit einer Hochgeschwindigkeitskamera aufgezeichnet. Eine Software wertet die Aufnahmen schließlich aus.

Auch mehrere Monate nach der Erkrankung zeigten sich teilweise massive Veränderungen bei den roten und weißen Blutkörperchen der Covid-Patienten: Unter anderem unterschieden sie sich in Form und Größe – dies deutet auf eine Schädigung hin und erklärt auch das Risiko für Gefäßverschlüsse bei den Erkrankten. Die Erythrozyten waren insgesamt kleiner und konnten sich nur schleppend fortbewegen. Da sie für den Sauerstofftransport zuständig sind, könnte diese Veränderung eine Erklärung für die langanhaltende Erschöpfung sein, über die Betroffene auch noch Wochen und Monate berichten.

Die Lymphozyten hingegen waren weicher und größer als normal – ein Zeichen für eine starke Immunreaktion. Auch sieben Monate nach der Infektion zeigten sich diese Veränderungen zum Teil bei den Covid-Patienten. „Wir vermuten, dass sich das Zellskelett der Immunzellen, welches maßgeblich für die Zellfunktion verantwortlich ist, verändert hat“, erklärt Wissenschaftlerin Dr. Markéta Kubánková.

Das Verfahren der Echtzeit-Verformungszytometrie wird bereits in anderen Bereichen getestet, beispielsweise in der Krebs-Früherkennung, bei der Diagnosestellung und Nachsorge. Nun könnte mit Covid-19 ein weiteres Einsatzgebiet hinzugekommen sein.