Health-Card

Gesundheitskarte für Flüchtlinge ist ab sofort verfügbar 17.09.2015 09:25 Uhr

vitabook-Gründer Markus Bönig über die Notwendigkeit einer Gesundheitskarte für Menschen auf der Flucht vor Krieg

Wann haben Sie beschlossen: „Die Gesundheitskarte für Flüchtlinge muss sofort her!“?
Der Tod des kleinen Jungen, der am Strand gefunden wurde, hat die ganze Welt schockiert. Als Familienvater kann man sich vorstellen, dass der Vater sich wünscht, dass der Tod seines Kindes nicht umsonst gewesen ist.

Wie erleben Sie die Situation?
Sie ist allgegenwärtig. Gestern sah ich flüchtende Menschen zu Fuß auf der Autobahn. Auf einmal war die ganze Situation nicht mehr 5000, sondern nur noch 50 km entfernt. Die Notwendigkeit einer humanitären und medizinischen Versorgung steht im Vordergrund. Durch unser vitabook-Konzept hatten wir die Möglichkeit, die Gesundheitskarte innerhalb einer Woche auf den Weg zu bringen. Und genau das haben wir getan.

Inwieweit betrifft das die aktuelle medizinische Versorgung der Menschen, die vor Kriegen flüchten?
Für sie brauchen wir hier dringend Gesundheitskarten, die nicht nur die Abrechnung, sondern auch ihre gesundheitliche Situation im Auge haben. Mit dem, was wir gebaut haben, kann eine Behörde vom Fleck weg loslegen.

Was genau läuft bei Ihrer Gesundheitskarte für Flüchtlinge leichter für die zuständigen Behörden?
Konkret geht es darum, dass bislang jede Behörde im Einzelfall eine Bescheinigung ausstellen muss, die sagt, dass ein Arztbesuch zulässig ist. Hier haben NRW, Bremen und Hamburg ja bereits einen weiteren Schritt beschlossen. Sie möchten mit der Gesundheitskarte eigentlich nur bewirken, dass die Kostenübernahme für den Arzt und die Klinik garantiert sind. Das ist der eine wichtige Teil. Das Dokument soll nicht jedes mal neu, sondern quasi pauschal für schmerzstillende Behandlungen und Medikamente erstellt werden.

Und diesen Bedarf deckt das vitabook-Modell ab?

Ja, genau das kann unsere Health-Card leisten. Der Beamte erstellt diesen Bescheid bzw. diese Blanko-Kostenübernahme; scannt das Dokument, das dann einfach in unser Gesundheitskonto kommt und mit der Health-Card verknüpft wird. Dieses Dokument kann der behandelnde Arzt ansehen, sich ausdrucken. Die Rechnung kann der Arzt einscannen und in das vitabook Gesundheitskonto seines Patienten hochladen. Mit dem Hinweis „ist eine Rechnung“ liegt diese online der Behörde vor, die sie bezahlt.

Was unterscheidet dieses Modell denn von der anvisierten Lösung mit den Krankenkassen?
Die Krankenkassen wollen jetzt 220 Euro pro Monat und Flüchtling von der jeweiligen Kommune haben = 2.640 Euro – egal, ob Betroffene krank waren, oder werden. Für die Behörde eine sehr teure Versicherung. Denn wenn es eh nur um schmerzstillende Behandlungen geht, ist das meines Erachtens viel zu viel Geld als Pauschale. Nehmen wir mal nur Jesteburg mit 8.000 Einwohnern. Hier sind 270 Flüchtlinge, was 2.640 Euro im Monat bzw. 712.800 Euro im Jahr bedeutet. Für das Geld können sieben Ärzte Vollzeit bezahlt werden.

Wie teuer ist ein „normaler“ Patient pro Monat?
Die gesetzlichen Krankenkassen haben im Schnitt pro Versichertem und Monat 279 Euro Kosten – dann aber mit allem Drum und Dran und nicht nur Basis-Basis-Basis, wie bei der Versorgung von flüchtenden Menschen, bei denen ja nur Schmerztherapie und Medikamente bezahlt werden. Eigentlich ist es ein Skandal, dass die Kassen sich hier gesund stoßen wollen. Dann wollen die Kassen zusätzlich noch zehn Euro Verwaltungsgebühr.

Wie hoch sind Ihre Kosten bei der Health-Card?
Wir bieten dieselbe Funktion an. Aber: Bei uns kostet die Software nichts und die Karten einmalig einen Pauschalpreis, je nach Druckmenge drei bis fünf Euro. Für die Kommunen selbst kommen dann die tatsächlichen Arztkosten für die Patienten hinzu, die wirklich behandlungsbedürftig sind, statt generell eine fette Pauschale.

Der Furcht vor Islamisierung setzt Angela Merkel die Aufforderung entgegen, dass wir uns in Deutschland ganz einfach auf unseren eigenen Glauben besinnen können und ihn konsequenter praktizieren. Teilen Sie ihre Meinung?

Ja. Ich bin Christ, für mich ist die Vorstellung, seinen Glauben zu leben, völlig normal. Dazu gehört, Fremden zu helfen. vitabook wurde als Sozialunternehmen gegründet. Mein Vorbild dabei war der Vision Summit 2007. Ich habe Cisco Systems mit dem Ziel verlassen, mein unternehmerisches Können in den Dienst sozialer Probleme zu stellen. Und ein soziales Problem dieses Ausmaßes hatte die Welt das letzte Mal nach dem zweiten Weltkrieg.