Innere Kündigung auf dem Vormarsch

Milliardenverluste durch mangelnde Führungsqualitäten 12.04.2012 10:55 Uhr

Arbeitnehmer in Deutschland machen immer häufiger Dienst nach Vorschrift oder gehen in die innere Kündigung. Meist liegt dies an den Führungskräften, wie eine aktuelle Untersuchung des Beratungsunternehmens Gallup zeigt. Über kurz oder lang werden viele Firmen die negativen wirtschaftlichen Folgen zu spüren bekommen – auch Apotheken.

Ein Beispiel aus dem Apothekenbereich: Als Apothekenleiterin K. in Rente ging, verschlechterte sich schlagartig das Betriebsklima. Der neue Chef änderte vieles ab dem ersten Tag radikal: Fortbildungen wurden erst einmal gestrichen und die monatlichen Teambesprechungen gleich mit. Bei Problemen mit schwierigen Kunden zog er sich lieber ins stille Kämmerlein zurück, anstatt die Lage zu bereinigen. Sein autoritärer Führungsstil äußerte sich auch in strengen Kontrollen der Arbeitszeiten und ständiger Kritik bei der kleinsten Panne. Wie nicht anders zu erwarten, sank die Motivation seiner Angestellten innerhalb weniger Monate auf den Nullpunkt – und der Umsatz brach ebenfalls ein, da sich niemand mehr für Aktionstage oder Zusatzverkäufe engagierte und viele Kunden wegen des spürbar schlechten Klimas die Apotheke wechselten.

In deutschen Betrieben leider kein Einzelfall: 23 Prozent der Beschäftigten haben innerlich bereits gekündigt und 63 Prozent machen Dienst nach Vorschrift, so das Ergebnis des „Gallup Engagement Index 2011“. Bleiben nur 14 Prozent, die engagiert und motiviert sind – noch, möchte man fast ergänzen. Denn die Zahl der Demotivierten steigt: 2001 lag der Anteil derer, die sich mental von ihrem Job verabschiedet hatten, noch bei 15 Prozent.

An den Arbeitnehmern liegt es jedoch nicht – 80 Prozent schätzen ihre Tätigkeit so sehr, dass sie dieser sogar nachgehen würden, sollten sie das Geld gar nicht mehr nötig haben. Marco Nink von Gallup: „Da spürt man nichts von Freizeitpark oder Werteverfall.“ Das Problem liegt meist bei den Chefs. Diese geizen mit Lob, sitzen Probleme, die im Team entstehen, einfach aus oder drücken sich vor tendenziell unangenehmen Entscheidungen. Falls die Entlohnung ebenfalls nicht passt und Entwicklungschancen gänzlich fehlen, machen viele innerlich die Schotten dicht. In Zahlen entsteht laut Gallup dadurch ein Verlust von etwa 124 Milliarden Euro pro Jahr. Zum Vergleich: Die Summe entspricht ziemlich genau dem Regierungsetat für Arbeit und Soziales im Jahr 2012. Doch was lässt sich gegen diese Situation unternehmen?

Laut Nink müsste vor allem die Ausbildung von Führungskräften grundlegend geändert werden, mit Fachliteratur und Unternehmensberatung ist es nicht getan. Und um bei Problemen öffentlicher Apotheken zu bleiben: Bereits im Studium sollten entsprechende Seminare zur Pflicht werden. Sich darauf zu verlassen, dass im praktischen Jahr die nötigen Führungskompetenzen erworben werden, erscheint blauäugig.

Allerdings wirkt schon die Honorierung guter Leistungen motivierend. Wird dagegen – wie in Sachsen oder Nordrhein – das Fehlen aktueller Tarifverträge von den Apothekenangestellten mit Blick auf das restliche Bundesgebiet als ungerecht angesehen, ist mit den von Gallup beschriebenen Folgen zu rechnen: erhöhter Krankenstand, erhöhte Fluktuation und reduzierte Arbeitsleistung.