Estlands digitale Krankenakte

Warum die Esten digitale Vorreiter sind 12.12.2017 12:41 Uhr

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1991 wurde Estland unabhängig. Damals sah sich die sehr junge Regierung vor die Aufgabe gestellt, in möglichst kurzer Zeit eine neue Verwaltung und eine funktionierende Infrastruktur aufzustellen. Das tat sie auch – und wie.
Der damalige Premierminister, damals 32-jährige Mart Laar, lotste das Land durch ein regelrechtes Modernisierungs-Boot-Camp und gab den ersten Anstoß dafür, dass die Infrastruktur, die ohnehin erneuert werden musste, von Anfang an digital wurde.
Das erleichterte einige Jahre später einiges, da der Weg für neue Technologien und digitale Lösungen geebnet war.
Auch in der Gesundheitsbranche hinterließ dies natürlich Spuren. Die digitale Krankenakte etwa, die in Deutschland noch heute höchstens eine Zukunftsvision ist.

Die digitale Krankenakte in Estland

In Estland aber, dem Vorreiter in Sachen Digitalisierung, ist ebendiese digitale Krankenakte schon seit 2013 Realität.
In dieser elektronischen Patientenakte (ePA), die nach langer Planung auch in Deutschland 2018 nun endlich eingeführt werden soll (??), werden alle medizinischen Befunde, Ergebnisse und Informationen gespeichert, die ein Patient im Laufe seines Lebens ansammelt.
Dazu zählen Dinge wie Urin- und Blutproben, Arztbesuche, verschriebene Medikamente, Röntgenbilder oder Krankenhausaufenthalte. Und noch viel mehr.
All diese Informationen sind dank der digitalen Krankenakte an einem Ort zusammengefasst und für jede autorisierte Person jederzeit einsehbar.
Durch eine erweiterte digitale Infrastruktur können diese Daten in Sekundenschnelle übermittelt und mit anderen geteilt werden.

Wer ist autorisiert, diese Daten einzusehen?

Autorisiert ist zunächst einmal der Patient selbst. Er hat und behält zu jeder Zeit die völlige Kontrolle darüber, ob und wer diese empfindlichen medizinischen Daten einsehen darf. Erlaubt der Patient nun einem Krankenhaus oder seinem Hausarzt den Einblick, so kann dieser eine große Sammlung von Daten überblicken und hat die gesamte Krankengeschichte des Patienten sofort zur Hand. Die Verschreibung von Medikamenten, die Wechselwirkungen mit anderen verschriebenen Medikamenten haben können, kann so nicht mehr passieren. Auch können in Notfallsituationen lebensrettende Maßnahmen sehr viel schneller eingerichtet werden, wenn die Informationen übersichtlich an einem Ort sind und auf Wunsch elektronisch übermittelt werden.

Und wie ist das mit der Sicherheit?

Die erste Frage der Kritiker, wenn es um die digitale Übermittlung sensibler Daten geht, ist natürlich die nach der Sicherheit. Berechtigt, möchte man meinen. Schließlich haben auch Ärzte Schweigepflicht, und das aus einem guten Grund. Sind nun aber diese Daten, die auf menschlicher Ebene einer Schweigepflicht unterliegen, frei im Netz unterwegs, so ist natürlich zunächst einmal die Befürchtung gerechtfertigt, dass ein Unbefugter sich Zugang zu ebendiesen Daten verschaffen und mit diesem Wissen Schaden anrichten könnte.
Darum läuft in Estland alles über die digitale Infrastruktur eines dezentralen Systems namens X-Road. Die darin enthaltene Blockchain-Technologie macht es möglich, große Mengen an Daten transparent und trotzdem oder sogar genau deshalb absolut sicher zu verschicken. Verschafft sich nämlich jemand unbefugten Zugang zu der Blockchain und den darin enthaltenen Daten, kann dies jeder sofort sehen und den Eindringling zurückverfolgen. Die Infrastruktur X-Road ist deshalb, wie auch andere Blockchains, extrem sicher gegen unbefugte Mitleser und Missbrauch. Jedenfalls sind dies die Argumente des X-Road-Miterfinders Jaan Priisalu.

Estland, der digitale Vorreiter. Aber warum?

Als sich Estland nach der erreichten Unabhängigkeit neu organisieren musste, ergriffen einige junge Pioniere die Chance und revolutionierten das bis dato technisch wenig affine Estland.
Die Vision einer digitalen Gesellschaft war geboren. Die Gesundheitsbranche war lange nicht alles, was digital werden sollte. Natürlich dauerte die digitale Transformation einige Jahre, doch inzwischen gilt Estland als Vorreiter und ungeschlagener Champion der Digitalisierung.
Seit zwei Jahren hält sich Estland nun wacker auf Platz 1 des DESI (The Digital Economy and Society Index). DESI ist ein Ranking der EU-Mitgliedstaaten, das sich mit dem Digitalisierungsrang der Mitgliedstaaten befasst. Deutschland hat im Gegensatz zu Estland im letzten Jahr noch einmal zwei Plätze einbüßen müssen und liegt nun auf Platz 20.

Was wir noch von Estland lernen können

Neben der digitalen Verwaltung, der E-Residency und anderen nützlichen digitalen Helfern in der estnischen Gesellschaft hat auch die Gesundheitsbranche noch weit mehr zu bieten als „nur“ die digitale Krankenakte.
Zu nennen wäre hier das digitale Rezept. Wie praktisch, wenn man vergessen hat, die Pille oder das Migränemittel rechtzeitig zu bestellen, und die Arztpraxen schon geschlossen haben. Durch die Speicherung der Daten kann das Rezept auch online und automatisch erstellt werden und spart einen Besuch beim Arzt. Auch Arzttermine werden in Estland inzwischen durch die Bank online erstellt.

Vorbild Estland

Estland hat, was Digitalisierung angeht, den Bogen raus. Gerade in der internen Verwaltung haben digitale Lösungen die Führung übernommen und verhelfen Estland zu einer effizienteren und bequemeren Lebensweise. Behördengänge sind hier passé, vor Ort oft zeitaufwendige Vorgänge, wie z.B. eine Ummeldung, können vom heimischen Computer aus erledigt werden.
Auch Deutschland könnte sich hiervon ein paar Scheiben abschneiden. Besonders in der Gesundheitsbranche wird hier seit Jahren von einer digitalen Krankenakte gesprochen. Die elektronische Gesundheitskarte kam, das E-Health-Gesetz ist nicht erst seit gestern auf dem Markt und trotzdem scheinen wir auf der Stelle zu treten.
Warum das so ist und wie die Zukunft mit digitaler Krankenakte auch in Deutschland aussehen könnte, das kannst Du im internen Bereich nachlesen.

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