Selbstmedikation

Abtei interpretiert Apothekenpflicht Désirée Kietzmann, 15.03.2011 09:07 Uhr

Berlin - 

Der Pharmakonzern GlaxoSmithKline (GSK) nimmt es mit der Apothekenpflicht derzeit nicht so genau. Seit Januar vertreibt die Tochterfirma Abtei das Produkt „Baldrian plus Passionsblume“ in Drogerien und im Einzelhandel. Kombinationen der beiden Arzneipflanzen werden allerdings erst im Mai aus der Apothekenpflicht entlassen.

Bislang sind nur Baldrian-Monopräparate sowie die Kombination mit Hopfen freiverkäuflich. Bereits im September 2009 hatte sich der Sachverständigenausschuss für Apothekenpflicht eine Ausweitung auf andere Kombinationen ausgesprochen. Das Votum des Gremiums hat allerdings nur empfehlenden Charakter, Änderungen müssen in der entsprechenden Verordnung über apothekenpflichtige und freiverkäufliche Arzneimittel umgesetzt werden. Mitte Februar stimmte der Bundesrat der Novelle zu, sie tritt aber erst am 1. Mai in Kraft.

Bei GSK sieht man den Termin nicht so streng: „Dieses Datum ist willkürlich festgelegt und beruht allein auf organisatorischen Verzögerungen“, teilte ein Konzernsprecher mit: Die Verordnung hätte ebenso gut bereits zum 1. Januar 2011 in Kraft treten können.

Die vorfristige Einführung begründet GSK mit Erfahrungswerten: Die Entscheidung der Länderkammer sei ein formaler Akt. In den vergangenen Jahrzehnten habe der Bundesrat nie seine Zustimmung zu einem Entwurf der Sachverständigen verweigert. „Im Vertrauen darauf haben Abtei und GlaxoSmithKline die Entwicklung und Vermarktung des Produktes 'Abtei Baldrian Plus Passionsblume' vorangetrieben“, so der Sprecher.


Die Verzögerung sowie die daraus resultierenden Verschiebung des Datums des Inkrafttretens stelle keine sicherheits- oder wettbewerbsrechtliche Hürde dar. Bei Vermarktung und Verkauf gehe es mit rechten Dingen zu, versicherte der Sprecher. Zudem gebe es für die Anwender kein größeres Risiko als bei vergleichbaren Wirkstoffkombinationen, die schon seit längerem freiverkäuflich seien.

Beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) stößt diese Interpretation auf Unverständnis: „Gesetze gelten ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens“, sagte ein Sprecher gegenüber APOTHEKE ADHOC. Eventuelle rechtliche Verstöße müsse letztlich allerdings die zuständige Aufsichtsbehörde prüfen.

Vorgänger des nun für die Drogerie gestalteten Produktes ist übrigens das bislang apothekenpflichtige Präparat „Alluna Tag zur Beruhigung“. Bereits im Mai vergangenen Jahres hatte Abtei den Namen in der Zulassung ändern lassen.

Im Bereich Consumer Healthcare machte GSK in Deutschland 2009 einen Umsatz 416 Millionen Euro, das war rund ein Fünftel seines Konzernumsatzes hierzulande. Knapp 300 Millionen Euro entfielen auf den Bereich Mundhygiene, zu dem die Marken Chlorhexamed und Corsodyl (nur Apotheke) sowie Corega, Dr. Best, Odol/Odol-med3, Parodontax und Sensodyne gehören.

Mit OTC-Produkten erwirtschaftete der Konzern 72 Millionen Euro; zu den Apotheken-Marken gehören Alli, BesserAtmen, Cetebe, Contac, Cysto Fink, Formigran, Lactacyd, Medacalm, Niquitin, Prosta Fink, Zantic und Zovirax. Auf Abtei entfiel ein Umsatz von 48 Millionen Euro. Außerhalb der Apotheke vertrieben werden außerdem Fagorutin, Granu Fink und Panadol.