Gericht untersagt Impfunfähigkeitsbescheinigung Philipp Kutter, 12.10.2022 13:57 Uhr
Eine sogenannte Corona-Impfunfähigkeitsbescheinigungen ohne Kontakt zu der ausstellenden Ärztin ist aus Sicht des Landgerichts Stade nicht zulässig. Der Unternehmer Markus Bönig hatte solche Bescheinigungen über die Seite Nachweis-Express.de ausstellen lassen.
Auf der Seite konnten sich Kunden für 17,49 Euro „vorläufige Impfunfähigkeitsbescheinigung“ von einer Ärztin a.D. ausstellen lassen. Dazu musste im Wesentlichen ein Fragebogen ausgefüllt werden, einen persönlichen Kontakt zu der Ärztin gab es nicht. Auf Grundlage der Angaben wurde bescheinigt, dass eine allergische Reaktion auf einen Corona-Impfstoff nicht auszuschließen ist. Abschließend wurde der Besuch bei einem Allergologen angeraten.
Aus Sicht der Wettbewerbszentrale verstößt die Werbung für das Angebot gegen das Verbot der Werbung für Fernbehandlung nach § 9 Heilmittelwerbegesetz (HWG). Die Ausgabe der Bescheinigungen sei unzulässig, weil zum Beispiel einem Arbeitgeber irreführenderweise vorgespiegelt werden solle, Arzt oder Ärztin habe aufgrund einer Untersuchung etwa eine Allergie gegen einen Impfstoff festgestellt.
Bönigs Seite meinte dagegen, eine ärztliche Bescheinigung über eine vorläufige Impfunfähigkeit sei keine Leistung im Sinne des HWG. Die Werbung unterfalle als reine Vorbeugung und Verhütung von Krankheiten und sachliche Aufklärung über Risiken und Nebenwirkungen einer Impfung nicht dem Gesetz. Auf der Homepage sei klar dargestellt, dass keine Krankheitsdiagnose gestellt werde. Auch liege keine irreführende Werbung vor, da die vorläufigen und zeitlich begrenzten Bescheinigungen nicht den Eindruck erweckten, dass die ausstellende Ärztin die Patienten untersucht und befragt habe.
„Unrichtiges Gesundheitszeugnis"
Doch laut dem LG Stade handelt es sich bei der Bescheinigung um ein „unrichtiges Gesundheitszeugnis“ im Sinne des § 278 Abs. 1 StGB, die zur Täuschung im Rechtsverkehr, etwa zur Vorlage beim Arbeitgeber, ausgestellt würden. Keineswegs handele es sich um eine allgemeine Mitteilung. Unrichtig sei das Gesundheitszeugnis, weil die Diagnose der vorläufigen Impfunfähigkeit nicht auf einer tragfähigen Grundlage beruhe, da zwischen dem Nutzer der streitgegenständlichen Website und der Ärztin, die die Bescheinigung ausgestellt habe, nicht nur niemals ein persönlicher Kontakt, sondern vielmehr gar kein Kontakt bestanden habe.
In der Urteilsbegründung führen die Richter aus: „In Anbetracht dessen, dass viele Millionen Menschen weltweit ohne vorherigen umfassenden Allergietest weitgehend komplikationslos und ohne die in der Bescheinigung genannten schweren Folgen geimpft worden sind, kann nicht ohne weitergehende körperliche Untersuchung allein auf Grund der Beantwortung der auf der Website angegebenen Fragen eine konkrete Gefahr des Schadenseintritts bestätigt werden.“
Ärzte verstoßen gegen Standesrecht
Auch beteiligte Ärzt:innen verstießen gegen ärztliches Standesrecht, heißt es. Die einzige ärztliche Leistung, die erbracht werde, sei die der Unterschrift, so das Gericht. Bönigs Firma ermöglichte und organisierte demnach den Verstoß gegen die Berufsordnung. Tatsächlich hatte schon die zuständige Ärztekammer gegen die beteiligte Ärztin a.D Strafanzeige gestellt. Bönig zufolge soll die Staatsanwaltschaft bereits schriftlich angekündigt haben, dieses Verfahren mangels eines Anfangsverdachts einzustellen.
Bönig hafte als Geschäftsführer auch persönlich aufgrund seiner eigenen wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht, da er ein auf Rechtsverletzungen angelegtes Geschäftsmodell selbst ins Werk gesetzt habe, so die Wettbewerbszentrale. Bönig hatte dagegen erklärt, dass hinter der Seite gar nicht die in der Verfügung genannte Nachweis-Express GmbH stehe, sondern die Clinico GmbH. Offenbar hatte es hier einen Wechsel gegeben.
Das Urteil ist trotzdem gegen die Firma Nachweise-Express ergangen. Die Entscheidung ist aber nicht rechtskräftig, Bönig kann noch in Berufung gehen.