Erbschaftsteuer-Reform

Zweifel an Steuer-Kompromiss APOTHEKE ADHOC, 29.09.2016 12:30 Uhr

Berlin - 

Bund und Länder haben sich auf eine Reform der Erbschaftsteuer verständigt und damit quasi in letzter Minute verhindert, dass das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) selbst des Themas annimmt. Doch ein Steuerexperte hält den Kompromiss für unzureichend.

Das BVerfG hatte dem Gesetzgeber schon 2014 aufgetragen, bis Ende Juni 2016 eine Reform zu verabschieden. Die Verfassungshüter hatten unter anderem die bisherige Verschonungsregelung bei der Betriebsübergabe für unzulässig erklärt. Ein erster Gesetzesentwurf scheiterte im Bundesrat, der Vermittlungsausschuss wurde angerufen. Nach langem Ringen wurde in der der vergangenen Woche ein Kompromiss gefunden.

Ein fauler Kompromiss, findet Professor Dr. Holger Kahle, Steuerexperte an der Universität Hohenheim. Er sieht die Gefahr von Steuer-Schlupflöchern nach wie vor nicht gebannt – und erwartet, dass sich das Verfassungsgericht erneut mit dem Thema beschäftigen muss.

Eine Reform sehe eigentlich anders aus. Statt das Gesetz grundlegend zu überarbeiten, hätten Bund und Länder sich auf relativ kleine Nachbesserungen geeinigt, kritisiert Kahle. „Aus ökonomischer und rechtlicher Sicht führt das jedoch zu nicht tragfähigen Ergebnissen“, warnt Kahle.

Umstritten war zuletzt noch die Unternehmensbewertung. Bislang wurde das Betriebsergebnis mit einem Faktor von 17,86 multipliziert. Dadurch entstanden deutlich überhöhte Unternehmenswerte. Nach dem jetzt gefundenen Kompromiss wird ein Faktor von höchstens 13,75 veranschlagt.

Kahle verweist auf weitere Details des Kompromisses: Die Steuerstundung ist von zehn auf sieben Jahre gesenkt. Kleinbetriebe, die keinen Joberhalt nachweisen müssen, sind jetzt nur noch solche mit bis zu fünf Mitarbeitern statt bisher zwanzig. Und Luxusgüter wie Oldtimer, Jachten und Kunstgegenstände sind künftig nicht mehr steuerlich begünstigt.

„Grundsätzlich bleiben damit die Verschonungsregeln bestehen, und das schafft Fehlanreize und Abgrenzungsprobleme“, befürchtet der Steuerexperte. „Auch eine Vereinfachung des Steuerrechts ist mit der neuen Regelung nicht verbunden.“ Aus ökonomischer Sicht sei eine komplette Neukonzeption des Erbschaftsteuergesetzes weitaus überzeugender.

Kahle plädiert für eine sogenannte Flat Tax-Regelung, wie sie auch bereits der Wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums vorgeschlagen habe. „Das beinhaltet eine Abschaffung der Verschonungsregeln, wobei gleichzeitig die Steuersätze gesenkt und die Stundungsregelung verbessert werden muss.“

Die Flat Tax-Regelung erfasst alle Vermögensarten mit ihrem Verkehrswert und unterwirft sie einem einheitlichen Steuersatz von etwa 10 Prozent. „Die Liquiditätsbelastung für Unternehmen könnte man auf diese Weise deutlich reduzieren und gleichzeitig Abgrenzungsprobleme beseitigen“, erklärt der Experte. „Firmenerben könnten die Erbschaftsteuer dann regelmäßig aus den künftigen Erträgen zahlen. Ohne Frage könnten wir so die Probleme mit dem Gleichheitssatz lösen und eine gerechte und effiziente Erbschaftsteuer erreichen.“

Der jetzt vorgelegte Kompromiss schaffe dagegen enorme Gestaltungsspielräume und führe zu Ungleichbehandlungen, so Kahle. Er ist überzeugt: „Die Richter in Karlsruhe haben das Thema bald wieder auf dem Tisch. Und einer erneuten verfassungsrechtlichen Prüfung dürfte der jetzige Entwurf sehr wahrscheinlich nicht standhalten. Vielleicht ist das dann eine Chance für die dringend nötige grundlegende Reform der Erbschaftsteuer.“