Antiepileptika

Desitin spendiert Medikationsplan

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Berlin -

Arzneimittel müssen nicht nur in klinischen Studien gut sein, sondern sich auch im Versorgungsalltag bewähren. Im Zweifel ist es ein gutes Vertriebsargument, wenn Patienten und Ärzte von der Wirkung eines Präparats überzeugt sind. Dafür müssen die Medikamente richtig angewendet werden. Auch die Industrie hat daher Interesse an der Compliance der Patienten. Neben Janssen-Cilag gehört Desitin zu den ersten Herstellern, die sich auf einen Vertrag zur Integrierten Versorgung (IV) eingelassen haben.

Im „Norddeutschen Epilepsienetz“ haben sich Desitin, verschiedene Krankenkassen, Neuropädiater, das Norddeutsche Epilepsiezentrum in Raisdorf sowie die Universitätskliniken Kiel und Lübeck zusammengeschlossen. Das Projekt richtet sich an Eltern schwer epilepsiekranker Kinder und Jugendlicher. In einem Flächenland wie Schleswig-Holstein müssen sie oft weite Wege zurücklegen, um zu einem Facharzt zu gelangen, der die richtige Diagnose stellt und die Medikation korrekt einstellen kann.

„Bei Gesprächen mit den Ärzten haben wir festgestellt, dass durch das Ärzte-Hopping im Laufe der Jahre viele Informationen verloren gingen“, berichtet Britta Mizani, die bei Desitin für das Projekt verantwortlich ist. Eltern würden mit ihren Kindern in die Notaufnahme geschickt, obwohl es manchmal gereicht hätte, wenn ein Spezialist auf die Daten geschaut hätte. „Die Idee war, Neuropädiater, Haus- und Kinderärzte, Kliniken und Patienten besser zu vernetzen, damit lange Anfahrten begrenzt werden können.“

Kern des Projektes ist die Datenbank „Epi-Vista“, in die Ärzte die Medikation eintragen können. Außerdem können sie die Daten einsehen und so die Therapie bewerten. Dafür erhalten sie von den Kassen pro Patient einmalig 50 Euro sowie eine Quartalspauschale von 30 Euro. Die Eltern können die Häufigkeit von Anfällen sowie die Wirkungen und Nebenwirkungen von Therapien erfassen. „Bei den Ärzten kommt das Projekt gut an“, so Mizani.

Die Datenbank wird zwar von Desitin geführt, das Projekt im Ganzen wird aber von der Managementgesellschaft Deutsche Gesundheitssystemberatung (GSB) koordiniert. „Dass wir eine Managementgesellschaft eingebunden haben, hat die Akzeptanz sicher verbessert“, meint Mizani.

Zwar habe zunächst die Sorge bestanden, dass es durch die Beteiligung eines Herstellers zu einer Steuerung in der Arztsoftware kommen könne. „Aber das geht nicht: Es werden über Epi-Vista keine Verordnungen generiert und es findet keine Arzneimittelsteuerung statt“, betont Mizani. Desitin erhalte auch keine Patientendaten: „Die Daten werden vom Softwareanbieter verwaltet und kommen nicht bei uns an.“

Inzwischen können Pharmafirmen auch selbst Projektpartner sein – ein Missbrauchspotenzial sieht Mizani aber nicht. Schließlich würden alle Verträge vom Bundesversicherungsamt (BVA) geprüft: „Wir haben gemerkt, dass das BVA extrem gut kontrolliert und sehr vorsichtig ist – ich würde vielleicht sogar sagen zu vorsichtig.“ Deswegen seien auch die Krankenkassen sehr zurückhaltend.

Als das Epilepsie-Projekt 2011 an den Start ging, war nur die Knappschaft dabei – mit einer durchaus überschaubaren Zahl an Patienten. „Die Kasse war damals begeistert – hatte aber wenig Versicherte in Schleswig-Holstein, die in das Projekt gepasst hätten. Wir haben dann die Ärzte geschult und die fanden es auch interessant. Allerdings kam lange kein Patient“, erinnert sich Mizani.

Eine umfangreiche Evaluation des Projektes gibt es aufgrund der geringen Teilnehmerzahlen noch nicht, aber immerhin erste Erfahrungen: Insgesamt hat die Knappschaft im ersten Jahr 21 Patienten über das Angebot informiert. Bei jedem Zweiten konnte die Medikation geändert werden. Einer blieb nach der Überweisung an den Neuropädiater anfallsfrei und bei vier Jugendlichen verschwanden die Diagnose beziehungsweise die Medikamente ganz aus den Abrechnungsdaten der Kasse.

„Es lohnt sich auch für wenige Versicherte, die als kritisch gelten, die Versorgungssituation zu verbessern“, so das Fazit der Kasse. Denn: „Das Norddeutsche Epilepsienetz ist günstiger als jeder Krankenhausaufenthalt.“ Aus Sicht der Knappschaft läuft das Projekt gut – immerhin gebe es schon eine Nachfrage von Patienten aus anderen Bundesländern.

Bei Desitin gibt man sich zurückhaltend: „Die Möglichkeit für einen länderübergreifenden Roll-out besteht zwar, aber noch steht die Evaluation in Schleswig-Holstein aus. Wir wollen das Projekt erst hier richtig rund machen“, sagt Mizani. Immerhin, inzwischen sind auch die Techniker Krankenkasse (TK), die Barmer GEK und die Hanseatische Krankenkasse (HEK) dabei. „Wir hatten Kontakt mit den Krankenkassen auf Landesebene – und die hatten keine Berührungsängste.“

Insgesamt sind laut Mizani inzwischen rund 200 Patienten bei dem Epilepsienetz eingeschrieben. Die Registrierung hält sie allerdings noch für eine Hürde in dem Projekt: „Jede Krankenkasse hat ein eigenes Prozedere, sodass den Ärzten vier verschiedene Formulare vorliegen, die den Patienten erklärt werden müssen.“

Desitin stellt den Ärzten inzwischen eine Art Bedienungsanleitung zur Verfügung: ein Ordner, in dem das Vorgehen für jede Kasse erklärt und die entsprechenden Formulare hinterlegt sind. Die Ärzte nehmen den Service gern an: „Die Managementgesellschaft kümmert sich um die Belange und ist unparteiisch. Aber wir als Desitin können solche Aufgaben, wie diesen Ordner erstellen, im Auftrag aller am schnellsten umsetzen.“

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