Null-Retaxationen

Apotheker meldet Protaxplus bei Gröhe

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Berlin -

Retaxiert eine Krankenkasse auf Null, kann die Apotheke selbst oder über ihren Verband Einspruch einlegen und notfalls noch vor Gericht ziehen. Apotheker Mathias Orth, Inhaber der Rosen-Apotheke in Holzminden hat noch etwas anderes gemacht: Er wendet sich in einem offenen Brief an Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). Dieser soll die Krankenkassen endlich in die Schranken weisen.

Orth hatte von der Rezeptprüffirma Protaxplus eine Null-Retaxation erhalten. Wegen der vermeintlichen Nichtbeachtung eines Rabattvertrags zu Oxycodon verweigerte die Pronova BKK die Zahlung. Der Widerspruch des Apothekers blieb bislang erfolglos.

Der Apotheker will die Politik auf den Fall und die aus seiner Sicht „mittlerweile unerträglichen und existenzbedrohenden Sanktionsmaßnahmen“ aufmerksam machen. „Fernab des öffentlichen Interesses wird hier ein ganzer Berufsstand der Ignoranz und der Willkür der Prüfstellen ausgesetzt und die Apothekerinnen und Apotheker stehen dem Treiben quasi hilflos und zum Teil nur noch fassungslos und resignierend gegenüber“, schreibt Orth.

Er hat den Eindruck, dass sich die Kassen auf Kosten der Apotheker zunehmend bereichern. „Ich kenne keinen anderen Bereich in der Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland, wo der Unternehmer nicht die Möglichkeit hat, eine fehlerhafte Rechnung im Nachhinein zu korrigieren und zumindest einen Teil seiner Arbeit auch vergütet bekommt“, schreibt Orth. Er kenne übrigens auch keine Sachbearbeiterin, die nach einem wie in seinem Fall „ganz offensichtlichen Fehlverhalten ihren Anspruch auf einen Teil ihrer monatlichen Gehaltszahlung verliert“.

Für die Kassen und ihre Prüfstellen sei das finanzielle Risiko einer Retaxation überschaubar, moniert Orth. Im schlimmsten Fall nehme die Krankenkasse bei einem erfolgreichen Widerspruch die Absetzung einfach zurück. Die Apotheken hätten keine Möglichkeit, die aufwendige Nachprüfung und Recherche dem Verursacher in Rechnung zu stellen – anders, als in anderen Bereichen des Gesundheitswesens.

Was war geschehen: Protaxplus hatte im August im Auftrag der Pronova BKK eine Oxycodon-Verordnung auf Null retaxiert. Der Apotheker habe den geltenden Rabattvertrag der Kasse nicht beachtet haben, Protaxplus kündigte eine Absetzung von 142,64 Euro an.

Orth legte Widerspruch ein: Der behandelnde Arzt habe unterhalb der Verordnung schriftlich einen Dosierungsplan hinzugefügt. Wegen fehlender Indikationsgleichheit sei er nicht zur Substitution verpflichtet gewesen, so Orth. Oxycodon mit einer 24-Stunden-Retardierung sei nicht gegen Tabletten mit einer Freisetzung innerhalb von 12 Stunden austauschbar. In den Leitlinien der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft werde eine Substitution dieser Arzneimittelgruppe zudem als kritisch angesehen.

Anfang November teilte Protaxplus dem Apotheker mit, dass sein Einspruch nicht anerkannt werden könne. Die Rezeptprüffirma verwies auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG), womit Null-Retaxationen bei Nichtbeachtung der Rabattverträge für zulässig erklärt worden seien. Orth habe bei der Abrechnung weder das Sonderkennzeichen für Nichtverfügbarkeit aufgedruckt noch einen Grund für die abweichende Abgabe vermerkt.

Orth schrieb in der vergangenen Woche erneut an Protaxplus und zitierte seinerseits Anweisungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zur Abgabe von Betäubungsmitteln. Laut der dort ansässigen Bundesopiumstelle seien die unterschiedlichen Retardformen nicht austauschbar. Es liege keine Zulassung für ein gleiches Anwendungsgebiet vor. „Aus diesem entscheidenden Grund kommt auch eine vorrangige Abgabe der von Ihnen gewünschten rabattbegünstigten Arzneimittel in Betracht“, so Orth.

Der Fachapotheker für Offizin-Pharmazie hat sich nach eigenen Angaben schon damit abgefunden, dass er Null-Retaxierungen hinnehmen muss, wenn er die Rabattverträge nicht beachtet. In diesem Fall fühlt er sich aber massiv ungerecht behandelt.

Daher der Brief an Gröhe: „Hier verlangt nun eine Rezeptprüfstelle von den Apotheken gegen geltendes Recht, gegen den Rahmenvertrag und gegen die Anweisungen der Bundesopiumstelle zu verstoßen. Man nimmt eine unzureichende Schmerzversorgung von Versicherten der Pronova BKK wissentlich nach meiner ausführlichen Information in Kauf, ja man verlangt diese de facto sogar, nur um in den Genuss finanzieller Rabattvorteile bzw. in diesem Fall auf Kosten der versorgenden Apotheke zu kommen. Unglaublich!“

Der Apotheker hat noch einen Wunsch an das derzeit laufende Schiedsverfahren zum Thema Null-Retaxationen. Die Schiedsstelle sollte aus seiner Sicht über eine Aufwandsentschädigung für offensichtlich ungerechtfertigte Retaxationen nachdenken. Der Deutsche Apothekerverband (DAV) und der GKV-Spitzenverband sollen unter der Regie des Schiedsstellenvorsitzenden Dr. Rainer Hess neue Regelungen für den Rahmenvertrag schaffen.

Orth verlangt von der Politik, dass sie die Arbeit der Apotheker endlich wieder schätzt und auch gerecht honoriert. Es sei allerhöchste Zeit, dass die Macht der Krankenkassen reduziert werden und er als Apotheker die „Momente überbordenden Bürokratie“ wieder für seine eigentliche Berufung, die sichere Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, nutzen könne, schreibt der Apotheker. Notfalls soll Gröhe das Ganze per Gesetz lösen. Ein Antwort aus dem BMG steht noch aus.

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