Muskelrelaxantien

Tetrazepam: Keine Rückkehr in Sicht

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Berlin -

Wer auf ein Revival von Tetrazepam gehofft hatte, wurde in der vergangenen Woche enttäuscht. Am Donnerstag teilte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mit, dass das Ruhen der Zulassung für Tetrazepam-haltige Arzneimittel verlängert wird.

Die letzte Ruhensanordnung war zum 1. August befristet, sie war die erste Verlängerung nach der Marktrücknahme im August 2013. Die EU-Kommission entschied sich erneut gegen das Benzodiazepin und verlängerte ein weiteres Mal das Ruhen der Zulassung um zwei Jahre bis zum 31. Juli 2019.

Tetrazepam war seit 1967 zur Behandlung von Muskelverspannungen und Spasmen mit gesteigertem Muskeltonus im Einsatz. Im August 2013 folgte dann das Aus. Die französische Arzneimittelbehörde hatte die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) zu einer Überprüfung und Neubewertung des Wirkstoffs angeregt. Ursache waren sehr seltene schwere Haut- und Überempfindlichkeitsreaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock.

Dem Antrag lagen 1600 Meldungen, darunter 650 als schwerwiegend eingestuft, alleine in Frankreich zugrunde. Die Experten kamen in ihrem Urteil zu einem negativen Nutzen-Risiko-Verhältnis, nicht zuletzt weil die Wirksamkeit nur begrenzt belegt werden konnte. Die verfügbaren Daten konnten die klinische Wirksamkeit im Indikationsgebiet nur bedingt zeigen.

Das Benzodiazepin war in verschiedenen europäischen Ländern im Handel – zum Teil in unterschiedlichen Indikationen. Das Risiko für Hautreaktionen ist unter Tetrazepam höher als unter anderen Benzodiazepinen. Unerwünschte Ereignisse können zu jeder Zeit der Behandlung auftreten und sind unvorhersehbar. Je nach Statistik ist einer von 150.000 bis 350.000 Anwendern betroffen.

Da das Medikament aber vergleichsweise häufig zum Einsatz kommt, oft auch in Kombination mit anderen Arzneimitteln, die Dunkelziffer sehr hoch liegen könnte und ein kausaler Zusammenhang nach Empfindlichkeitstests wahrscheinlich ist, kamen die Gutachter zu einem negativen Nutzen-Risiko-Verhältnis. Außerdem sei nur begrenzte klinische Wirksamkeit belegt. Die Hautreaktionen können nicht nur schwerwiegend, sondern lebensbedrohlich oder tödlich sein. Mögliche Ereignisse sind Urticaria, Erythema multiforme, Lyell-Syndrom und Stevens-Johnson-Syndrom.

Ärzte können seit der Marktrücknahme von Tetrazepam noch auf verschiedene zentral wirksame Muskelrelaxantien zurückgreifen. Zur Verfügung stehen Sirdalud (Tizanidin), Ortoton/DoloVisano (Methocarbamol) und das generische Baclofen. Seit April 2015 ist das Chinin-haltige Limptar ebenfalls verschreibungspflichtig.

2013 wurde auch Tolperison in seiner Indikation beschnitten und dem Wirkstoff der Einsatz „bei schmerzhaften Muskelverspannungen, insbesondere als Folge von Erkrankungen der Wirbelsäule und der achsennahen Gelenke“ abgesprochen. Seither darf Tolperison nur noch „zur Behandlung einer krankhaft erhöhten Spannung der Skelettmuskulatur nach einem Schlaganfall bei Erwachsenen“ angewendet werden.

Laut Arzneiverordnungsreport ist Methocarbamol mit 16 Millionen Tagesdosen (DDD) das am häufigsten eingesetzte Muskelrelaxans. Tolperison kam auf 9 Millionen DDD. Chinin kommt auf 7 Millionen DDD, das zuletzt neu zum Leben erweckte Pridinol auf 350.000 DDD.

Wegen der Einschränkungen hat sich der Markt stark verändert: 2012 kam Tolperison noch auf 16 Millionen DDD, auch Tetrazepam war noch im Handel und mit 22 Millionen DDD das Mittel der Wahl. Methocarbamol, damals noch bei 4 Millionen DDD, ist der Gewinner des regulatorischen Kahlschlags.

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