Süß & teuer

Vanille – das neue Gold der Apotheke

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Berlin -

Wer hat’s erfunden? Natürlich ein Apotheker. Ferdinand Tiemann gelang es gemeinsam mit Wilhelm Haarmann, Vanillin herzustellen. Im Jahr 1874 war das eine kleine Sensation. Heute ist ihre Erfindung gefragter denn je. Die Vanillepreise schießen derzeit nämlich in die Höhe. Ein Kilogramm der fermentierten Schoten kostet 600 Euro.

Noch ist Gold um ein Vielfaches teurer, ein Gramm kostet derzeit 33,71 Euro. Aber für viele Köche ist Vanille im Augenblick kostbar wie nie. In Expertenkreisen gilt die Orchidee Vanilla planifolia, die als Liane in tropischen Wäldern wächst, als Königin der Gewürze. Ohne sie gäbe es keine Vanillekipferl, kein besonders leckeres Vanilleeis und so mancher Kuchen würde bestenfalls halb so gut schmecken.

Bevor das Gewürz von den Köchen entdeckt wurde, wurde es auch als Heilmittel eingesetzt. Die Azteken nannten die Pflanze „Cacixanatl“ (in der Sprache der Azteken bedeutet das „tiefgründige Blume“). Der spanische Missionar und Ethnologe Bernardo de Sahagún (1500-1590) notierte, dass der letzte Aztekenherrscher, Moctezuma II. (1465-1520), täglich bis zu 50 Tassen Schokolade mit Vanille getrunken haben soll. Ein klarer Fall von Überdosierung. Das Getränk schmeckte gut und sollte schwierige Gäste milde stimmen, weshalb man den Spezial-Kakao „Göttertrank“ nannte.

Internationale Gewürzhändler warten mit Spannung auf die nächste Ernte aus Madagaskar. In drei Monaten ist es so weit. Hoffentlich. Denn derzeit gibt es massive Liefer- und Qualitätsprobleme. In der Bild-Zeitung spricht Vanille-Importeur Berend Hachmann gar von Engpässen. Sein Unternehmen beliefert derzeit nur noch Stammkunden. Der Experte befürchtet, dass es in Supermärkten deshalb zu Engpässen kommen könnte. Aust-Hachmann sitzt in Hamburg und handelt seit dem Jahr 1881 mit dem begehrten Gewürz. Teurer ist seit jeher nur noch Safran.

Was derzeit an Vanille auf dem Weltmarkt angeboten wird, lässt Sorgenfalten in den Gesichtern von Experten wachsen. Die Ware neigt zu Schimmelbildung. „Das wollen wir unseren Kunden nicht anbieten“, so Hachmann der „Bild“. Es ist ein Teufelskreis: Seit Jahren steigen die Preise für Vanille. In den Anbauländern, das wichtigste ist Madagaskar, liegen deshalb die Nerven blank. Vanille ist zum begehrten Diebesgut geworden, viele Anbieter ernten aus Angst deshalb zu früh. Das schadet der Qualität.

Der Anbau von Vanille ist ein lukratives und aufwendiges Geschäft. Sie wird auf Plantagen in Madagaskar und anderen Ländern angebaut. Nach dem Pflanzen braucht die Liane drei bis vier Jahre, bevor sie erste Früchte trägt. Da die Orchidee ein Zwitter ist und es in Madagaskar kein „passendes“ Insekt gibt, das die Befruchtung durchführen kann, müssen dies Menschen tun. Blüte für Blüte, von Hand. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Blüte jeweils nur an einem Tag öffnet.

Das macht die echte Vanille seit jeher so kostbar. Die Vanilleblüten öffnen sich in der Morgendämmerung und welken, nachdem sie sich bei Einbruch der Dämmerung geschlossen haben. Werden sie davor nicht bestäubt, bildet sich kein Fruchtansatz.

Der Sklave Edmond Albius (1829-1880) löste das Rätsel um die Befruchtung der kostbaren Pflanze. Er öffnete die Blüte ganz einfach mit einem dünnen Bambusspieß und übertrug so die Pollen vom Staubgefäß auf die Narbe. Bis heute werden auf diese Weise die Blüten bestäubt, fleißige Arbeiter schaffen 1000 bis 1500 Blüten täglich.

Die Spanier brachten das exotische Gewürz im 16. Jahrhundert nach Europa, die Hofköche waren entzückt. Alles, was gut und teuer ist, ruft früher oder später Fälscher auf den Plan. Oder eifrige Wissenschaftler, die sich auf die Spur des Kostbaren begeben. Der Apotheker Ferdinand Tiemann und der Chemiker Wilhelm Haarmann klärten die chemische Struktur von Vanillin, dem Hauptaromaträger der Vanille, auf. Im Jahr 1874 gelang ihnen erstmal die synthetische Herstellung des Stoffes.

Aus dem Saft von jungen Fichten gewannen sie Coniferin. Das ist ein Glucosid des Coniferilalkohols. Die Männer oxidierten es mit Hilfe von Chromtrioxid und Glucovanillin und spalteten dieses durch Enzyme oder Säuren in Glucose und Vanillin. Wenig später gründeten sie in Holzminden die erste Vanillinfabrik der Welt.

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