Sonntagstext

Anja und die Petition

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Berlin -

Anja Alchemilla sitzt vor ihrem Computer und schaut sich die Entwicklung der Petition des Pharmaziestudenten Benedikt Bühler an. Sie war eine der ersten Mitzeichner, und hatte gehofft, dass aus der Apothekerschaft mehr Zustimmung für ein Rx-Versandverbot kommen würde, als es zur Zeit der Fall ist. Woran liegt das nur? Fehlt hier allgemein das Interesse oder glaubt niemand an den Erfolg? Zum Glück denken ihre Kunden anders! Und schon alleine, dass das Thema überhaupt einmal in der Bevölkerung ankommt, ist ein Erfolg für die Apotheken vor Ort, egal wie viele Stimmen am Ende zusammenkommen.

Es war für sie zu Beginn der Aktion nicht abzusehen, wie viele Menschen hier tatsächlich auf ihrer Seite stehen würden. In den virtuellen Filterblasen der sozialen Medien tummeln sich ja doch einige Versandverbotsgegner, dachte sie. Also hatte Anja befürchtet, dass sie sich auf einige Diskussionen mit ihren Kunden einlassen müsste, die für den Versand plädieren würden. Daher hatte sie zunächst mit dem auslegen der Unterschriftenlisten ein wenig gezögert, sich dann aber doch dazu entschlossen. An jeden Kassenplatz wurde eine Liste samt Stift gelegt, aber sie hatte ihre PTA angewiesen, damit dennoch diskret umzugehen, um die Kunden nicht zu verschrecken.

Bereits am ersten Tag war die Aktion ein voller Erfolg. Die PTA Sonja kam schon in der ersten Frühstückspause auf sie zu, um begeistert zu berichten: „Stell dir vor, an der mittleren Kasse ist die erste Seite der Liste schon fast voll! Und ich muss gar nichts dazu sagen, im Gegenteil! Die Kunden fragen mich, für was wir Unterschriften sammeln und tragen sich dann sofort ein. Viele sind sogar richtig empört, denn zum Thema Versandhandel aus dem Ausland hatten sie noch nie etwas gehört! Ich glaube wir gehen immer davon aus, dass alle das wissen, aber das Thema schafft es ja nur selten mal in die Laienpresse."

Die Kollegin Mira hakt gleich ein: „Ich fand es sogar richtig toll, mit den Kunden darüber ins Gespräch zu kommen. Viele waren da wirklich sehr interessiert und gleich mit vollem Herzen auf unserer Seite! Die eine Kundin hat sogar gesagt, wenn es ginge, dann bekämen wir gleich fünf Unterschriften von ihr. Das fand ich richtig süß. Ich habe ihr dann noch diese Einzelzettel mitgegeben, damit sie ihren Mann und die Mutter Zuhause gleich noch mitunterschreiben lassen kann." Anja ist begeistert. Dass diese Aktion so gut ankommt hätte, sie zunächst wirklich nicht gedacht. „Wir haben offenbar viel mehr Leute hinter uns als wir denken" sagt die Filialleiterin. „Es tut richtig gut, das zu hören. Ich rufe nachher mal in der Hauptapotheke an, und frage dort, wie es bei denen angelaufen ist.

Am Nachmittag kommt die MFA des Ärztehauses gegenüber vorbei, um geänderte Rezepte zu bringen. „Frau Alchemilla, können sie mir vielleicht auch so eine Liste mitgeben? Ich würde sie in der Arztpraxis auslegen. Ich wusste gar nicht, dass so viele Apotheken in Deutschland schließen müssen! Alle 38 Stunden muss eine dicht machen, steht da. Das ist ja richtig viel! Warum macht denn da die Politik nichts dagegen? Das verstehe ich überhaupt nicht. Sie sind doch wichtig hier!" Anja wird es ganz warm ums Herz, als die der MFA die leeren Listen übergibt. Ausgerechnet diese Frau, die am Telefon oft so genervt wirkt, bietet ihr das an.

Auch eine junge Mutter, deren Kind chronisch krank ist, bittet Anja um einen leeren Unterschriftenbogen. „Ich nehme den mit in den Kindergarten. Wenn ich mein Kind abhole, bitte ich alle andern Eltern um ihre Unterstützung. Wenn sie nicht da wären, wohin hätte ich an den Samstagen gehen sollen? Wen hätte ich anrufen können und mit Fragen löchern, ohne dass ich gleich etwas kaufen muss? Nein – von fremden Menschen möchte ich in Gesundheitsfragen nicht in einem unpersönlichen Videochat irgendwelche Ratschläge annehmen!" Anja freut sich, und reicht der Stammkundin einen Bogen über den HV. Huch, jetzt werden langsam die Unterschriftenlisten knapp! „Na, wenn das hier so weitergeht, dann erreichen wir nicht nur das Quorum, wie werden geradezu sprengen!" begeistert sie sich. „Nun muss ich aber wirklich mal bei den Kollegen in der Hauptapotheke anrufen. Wenn wir schon so viele zusammen haben, was muss dann dort erst los sein? Sie schnappt sich den Telefonhörer und wählt die Nummer. Nach kurzer Wartezeit hat sie ihre Chefin am Apparat und erzählt ihr von der positiven Rückmeldung durch die Kundschaft.

Doch auf ihre Frage wie es dort so läuft bekommt sie nicht die erhoffte Antwort. „Ach Frau Alchemilla... das bringt doch sowieso nichts. Ich habe gar nichts ausgelegt, denn die Kunden kommen nicht zu uns um sich über Gesundheitspolitik zu unterhalten. Sie wollen Medikamente abholen, und ansonsten ihre Ruhe. Außerdem ist das RxVV politisch nicht gewollt, da können wir sammeln was wir wollen. Das läuft doch ins Leere – und Spahn lacht sich doch zusammen mit Max Müller ins Fäustchen." Nach dem Telefonat ist Anja niedergeschlagen, doch Sonja richtet sie wieder auf. „Was solls? Dann sammeln wir eben doppelt so viele Unterschriften – für die anderen gleich mit. Man soll nicht sofort aufgeben, vielleicht ändern wie doch etwas! Und wenn nicht, dann haben wir es wenigstens versucht. Wer das nicht macht, der hat schon verloren!"

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