Klinik-Mordserie

Pfleger Niels H. gesteht weitere 100 Morde

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Oldenburg -

Es könnte die größte Mordserie in der deutschen Nachkriegsgeschichte sein: Jahrelang soll der Krankenpfleger Niels H. Patienten an den Kliniken Oldenburg und Delmenhorst getötet haben. Wegen sechs Taten sitzt er bereits lebenslang in Haft, heute begann ein neuer Prozess gegen ihn. Der Vorwurf: 100-facher Mord. Am ersten Prozesstag gestand H. größtenteils die ihm zur Last gelegten Vorwürfe.

Wahllos soll sich H. seine Opfer ausgesucht haben. Das jüngste war 34, das älteste 96 Jahre alt. Zwischen Februar 2000 und Juni 2005 soll H. immer wieder Patienten Medikamente gespritzt haben, die zu Herzversagen führten oder andere Komplikationen auslösten. Danach versuchte er, seine Opfer wiederzubeleben. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft tat er das aus Langeweile und um vor Kollegen mit seinen Reanimationskünsten zu glänzen.

Eine Krankenschwester hatte H. im Sommer 2005 auf frischer Tat am Klinikum Delmenhorst bei Bremen ertappt. Doch bis das gesamte Ausmaß der Mordserie ans Licht kam, vergingen Jahre. Mehr als 130 Leichen ließen die Ermittler auf Friedhöfen ausgraben und diese auf Rückstände von Medikamenten untersuchen. Mehrmals befragten sie den Ex-Pfleger im Gefängnis. Dieser habe die Taten gestanden, soweit er sich an sie erinnern könne, sagte Oberstaatsanwalt Martin Koziolek.

Rund 120 Nebenkläger wollen in dem Prozess erfahren, wie und warum ihre Verwandten sterben mussten. „Sie wollen dem Angeklagten in die Augen schauen“, sagte Nebenklage-Anwältin Gaby Lübben. Das Landgericht Oldenburg erwartet zahlreiche Zuschauer und Journalisten zum Prozessauftakt. Wegen des großen Andrangs hat die Kammer die Verhandlung in die Weser-Ems-Hallen verlegt.

Wie viele Menschen der Beschuldigte auf dem Gewissen hat, wird auch der neue Prozess nicht mit Sicherheit klären können. Die Polizei hatte wegen mehr als 200 Verdachtsfällen ermittelt. Doch viele Patienten, die an den Kliniken Oldenburg und Delmenhorst starben, wurden eingeäschert; ihre Leiche konnten nicht mehr untersucht werden. In zwei Fällen stehen außerdem Exhumierungen in der Türkei noch aus. Ob und wann die türkischen Behörden diese vornehmen, ist offen.

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, forderte die Bundesregierung auf, aus dem Fall klare Konsequenzen zu ziehen. „Trotz der größten Mordserie der Nachkriegsgeschichte bleiben Bund und Länder weitestgehend tatenlos. Es fehlen bundesweite Anstrengungen, um solche Einzeltäter rechtzeitig zu stoppen. Das ist unerträglich“, sagte Brysch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

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