Alles-rezeptfrei.net

Giselind B.: Opfer der Versandbetrüger

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Berlin -

Wer kauft eigentlich Arzneimittel aus dubiosen Quellen im Internet? Warnungen gibt es genug; sie werden aber von Patienten in den Wind geschlagen, die meinen, sich aus gutem Grund in illegale Kanäle zu begeben. So auch Giselind B. Als Chronikerin sah sie sich genötigt, bei alles-rezeptfrei.net zu bestellen. Seit sie vor drei Wochen bezahlt hat, wartet sie auf ihre Bestellung.

Wegen einer Cortison-Therapie bekam Giselind B. Gewichtsprobleme. Jemand aus ihrem Bekanntenkreis empfahl ihr ein Ephedrin-Präparat des asiatischen Herstellers Kaizen – unter Sportlern auch als Fatburner und Aufputschmittel bekannt. Bisher bezog sie das Mittel über eine Freundin aus Spanien. Dort ist Ephedrin frei käuflich. Weil jetzt die Connection abriss, versuchte Giselind B. ihr Glück im Internet – und fühlt sich nun betrogen.

Beim Googeln stieß sie rasch auf den Webshop alles-rezeptfrei.net. Mit 42,85 Euro war das Mittel sogar rund 15 Euro billiger als bei ihrer bisherigen Quelle. Ohne großes Nachdenken bestellte Giselind B. Ende August 3 x 50 Tabletten. Den Betrag sollte sie an eine Bank in Spanien überweisen.

Über das Auslandskonto wunderte Giselind B. sich nicht, da sie ihren Bedarf zuvor ebenfalls dort gedeckt hatte. Wer ein Konto bei der Bankia hat, muss seriös sein, dachte sie. Wenige Tage später, am 5. September, bezahlte sie die Rechnung. Zwei Tage später war das Geld auf dem angegebenen Konto gutgeschrieben. Seitdem wartet Giselind B. vergebens auf die angekündigte Lieferung in diskreter Verpackung.

Per Telefon nachfragen kann sie nicht. Es gibt bei alles-rezeptfrei.net keine Hotline. Ihre E-Mails wurden mit einer Standardantwort bedient: „Bestellung wird abgewickelt.“ Inzwischen hat Giselind B. die Hoffnung aufgeben, dass die Tabletten noch ankommen. Sie ist empört.

Dabei hätte sie eigentlich rasch hellhörig werden müssen: Auf der Internetseite von alles-rezeptfrei.net fehlt sogar ein Impressum. Es gibt weder Hinweise auf die Betreiber noch eine Adresse. Mehr noch: Es gibt im Netz zahlreiche Warnungen vor dieser „Internet-Apotheke“: „Nicht auf alles-rezeptfrei.net einkaufen“, heißt es beispielsweise bei „Watchlist Internet“.

Der Fake-Shop biete Pharmazeutika zwar zu günstigen Preisen an. Er verstoße aber gegen zahlreiche gesetzliche Bestimmungen und liefere trotz Bezahlung keine Ware: „Aus diesem Grund wird dringend davon abgeraten, auf alles-rezeptfrei.net einzukaufen“, lautet die Warnung.

Die Domain alles-rezeptfrei.net wurde laut Watchlist am 15. März 2014 über einen Anonymisierungsdienst aus Kanada registriert. Aus diesem Grund seien keine Rückschlüsse über die hinter der Website stehenden Akteure möglich. Irritierend sei, dass die Angaben auf alles-rezeptfrei.net deutschsprachig seien, die automatisierte E-Mail-Korrespondenz jedoch über eine IP-Adresse aus den USA ablaufe.

Es sei davon auszugehen, dass in betrügerischer Absicht die Anschrift einer tatsächlich existierenden Apotheke in Spanien genannt werde, die in keiner Beziehung zu alles-rezeptfrei.net stehe. Das genannte Bankkonto sei wahrscheinlich mit gefälschtem Personalausweis eröffnet worden, weshalb über die Kontoinhaber keine Rückschlüsse auf die tatsächlichen Akteure möglich seien.

Alles-rezepfrei.net verstößt zudem gegen zahlreiche gesetzliche Bestimmungen. Es findet sich beispielsweise kein Hinweis auf das Rücktrittsrecht und keine voraussichtliche Lieferzeit. Entgegen der Gepflogenheiten im Geschäftsverkehr finden sich ebenso wenig allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB). Obwohl der Fake-Shop Arzneimittel zum Verkauf anbietet, informiert er nicht über deren Inhaltsstoffe, überprüft nicht, ob diese tatsächlich eingenommen werden dürfen und klärt nicht über Nebenwirkungen auf. Watchlist rät daher dringend von Bestellungen ab.

Auch deutsche Apotheker wurden bereits Opfer von alles-rezeptfrei.net: Die Betreiber hatten im Internet Pressemitteilungen eingestellt und als Kontakt den Namen echter Apotheken angegeben. Außerdem warben die Betreiber der ersichtlich illegalen Website damit, vom Deutschen Institut für Service-Qualität (DISQ) mit der Note „Sehr gut“ bewertet worden zu sein.

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