Werbung für Fernbehandlung

Kein „digitaler Arztbesuch“

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Berlin -

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens schreitet voran. Manchmal sind die Akteure dennoch der Gesetzgebung einige Schritte voraus. Ein „Digitaler Arztbesuch“ wie von dem privaten Online-Krankenversicherer Ottonova beworben, wurde vom Landgericht München I verboten. Jetzt liegen die Urteilsgründe der nicht rechtskräftigen Entscheidung vor.

Ottonova hatte unter anderem damit geworben: „Bleib einfach im Bett, wenn du zum Arzt gehst.“ Diagnose und Krankschreibung per App, lautet das Angebot, gegen das die Wettbewerbszentrale gerichtlich vorgegangen ist. Kooperationspartner der Ottonova sind die „eedoctors – die virtuelle Arztpraxis“ mit Sitz in der Schweiz. eedoctors-Ärzte verfügen zwar nach Unternehmensangaben über ein Schweizer Diplom oder ein EU-Äquivalent, aber nicht über eine deutsche Approbation.

Das LG München verbot Ottonova, „für ärztliche Fernbehandlung in Form eines digitalen Arztbesuchs zu werben, wobei mittels einer App in Deutschland lebende Patienten, die bei der Ottonova krankenversichert sind, angeboten wird, über ihr Smartphone von Ärzten, die im Ausland sitzen, Diagnosen, Therapieempfehlungen und Krankschreibungen zu erlangen“.

Der Versicherer hatte auf die laufende Gesetzgebung in Sachen Telemedizin verwiesen, vor Gericht zählt aber eben die aktuelle Gesetzeslage. Außerdem gehe das Angebot von Ottonova auch über das vom Gesetzgeber Geplante hinaus, hatte die Wettbewerbszentrale erwidert. Krankschreibungen auf Zuruf via App werde auch künftig nicht möglich sein.

Das LG bestätigte, dass die Werbung für eine Fernbehandlung gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG) verstoße. Ob die Fernbehandlung an sich zulässig ist oder nicht, darüber hatte das Gericht nicht zu entscheiden.

 

Die Wettbewerbszentrale hatte mehrere Probleme bei der Werbung für eine Fernbehandlung gesehen. „So ist es zum Beispiel fraglich, wie ein Fernbehandler den Pflichten nach dem Infektionsschutzgesetz nachkommen und meldepflichtige Krankheiten erkennen soll.“ Zudem sei dauernde ärztliche Tätigkeit in Deutschland an die Niederlassung, also an einen Praxissitz, gebunden. „Auch die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit darf nach deutscher Rechtslage nach der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie nur nach vorheriger persönlicher Untersuchung erfolgen“, so die Wettbewerbszentrale.

Die Versicherung hatte sich darauf berufen, dass das Werbeverbot für sie nicht gelte. Denn in der Schweiz sei Fernbehandlung erlaubt. Aus der Website sei im Übrigen erkennbar, dass Fernkonsultationen nur in bestimmten Fällen, in denen diese medizinisch möglich und vertretbar seien, durchgeführt würden. Hier heißt es: „Es liegt in der Kompetenz und im Ermessen des beurteilenden Arztes was mit der Telemedizin beurteilt werden kann und wann eine Real-Konsultation notwendig ist.“ Was die Krankschreibung betreffe, so sei die Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie nicht einschlägig, da die Ottonova selbst keine ärztlichen Untersuchungen durchführe.

Roman Rittweger, Vorstandsvorsitzender der Ottonova Holding AG, hatte schon nach Urteilsverkündung mitgeteilt: „Ich bedaure die Entscheidung des Landgerichts, das sich streng am Wortlaut des § 9 HWG orientiert und anscheinend die aktuellen Gesetzesinitiativen und Entwicklungen zur Zukunft der Telemedizin außer Acht lässt. Wir appellieren an die Bundesregierung, das neue Digitalisierungsgesetz zügig zu verabschieden und umzusetzen, damit wir in Deutschland nicht weiterhin wegen veralteter Gesetze den Anschluss im internationalen Wettbewerb um innovative Gesundheitsdienstleistungen verlieren.“

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