Wirtschaftswoche

Orthomol: „Zweifelhafte Produkte, vorbildliches Marketing“

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Berlin -

Nach dem Spiegel nimmt ein weiteres Magazin Produkte aus der Apotheke in die Mangel. Die Wirtschaftswoche (Wiwo) berichtet nicht über Homöopathie, sondern stellt das Familienunternehmen Orthomol vor – mit dem Titel: „Dieser Mittelständler verkauft zweifelhafte Produkte mit vorbildlichem Marketing“.

Orthomol gehört dem Bericht zufolge zu den bekanntesten Herstellern „angeblich heilender und leistungsfördernder Nahrungsergänzung“. Ein Grund für den Erfolg sieht der Autor im Marketing und Vertrieb: „Die Verkäufer beherrschen den Pharmazeuten-Smalltalk“, heißt es. Auf große Kampagnen und Werbung werde größtenteils verzichtet.

Die Produktpalette sei „absurd weit diversifiziert“. Dabei seien die Präparate umstritten: Etliche Mediziner wie Professor Dr. Peter Sawicki, der ehemalige Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), kritisierten, dass die Wirkung der Vitaminpräparate nicht belegt sei. Verbraucherschützer warnen demnach vor Überdosierungen. Selbst Apotheker rieten vereinzelt von einer dauerhaften Einnahme ab.

„Doch so lange Leute glauben, dass die Vitamine helfen, geht es Orthomol gut“, schreibt das Blatt. Die Apotheker verdienten an den Präparaten schätzungsweise 30 Prozent des Packungspreises – und würden so zu „echten Fans“. Kritik habe es dem Bericht zufolge laut Geschäftsführer Nils Glagau schon in den Gründungszeiten bei seinem Vater Dr. Kristian Glagau gegeben: „Es war ein Spießrutenlaufen“, sagt er. Der heutige Firmenchef wird als Mann mit „vollem, schulterlangem Haar“ beschrieben, der so gesund ausehe, dass er ohne Weiteres selbst für seine Mittel werben könne.

2016 feierte Orthomol das 25-jährige Firmenjubiläum. Das Unternehmen geht auf Glagau und seinen Kompagnon Dr. Hans Dietl zurück. Beide wollten die bereits in den USA bekannten orthomolekularen Produkte in Deutschland vertreiben. Der Ansatz, hochdosierte Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente zur Prävention von Krankheiten einzusetzen, geht auf den Nobelpreisträger Linus Pauling zurück.

Mitte der 1990er Jahre wird mit knapp 40 Mitarbeitern ein Umsatz rund 7,5 Millionen D-Mark erwirtschaftet. 2001 übernimmt Glagau die Firma komplett. Sein Kompagnon ist kurz zuvor verstorben. 2009 verstirbt Glagau, seine Familie springt ein. Heute wird das Unternehmen von seinem Sohn und dem technischen Geschäftsführer Dr. Michael Schmidt geführt.

Von Rückschlägen wie Steuernachzahlungen für die Jahre 2008 bis 2012 von insgesamt 11 Millionen Euro erholt sich die Firma. Vom Umsatz von zuletzt rund 80 Millionen Euro entfallen 5 Millionen Euro auf das Arztgeschäft, weitere sechs Millionen Euro werden im Ausland erwirtschaftet. Insgesamt werden rund 20 verschiedene Präparate in acht verschiedenen Darreichungsformen angeboten. Das Sortiment wird stetig erweitert. Das Interesse an der Firma aus Langenfeld groß. „Wir hatten schon viele Kaufangebote von großen Konzernen“, sagte Glagau, „aber wir verkaufen nicht.“

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