DAV-Wirtschaftsforum

„Das härteste Quartal seit dem AMNOG“

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Berlin -

Ein ungebremstes Wachstum des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln führt aus Sicht der ABDA langfristig zum „Todesstoß“ für die flächendeckende Versorgung und für viele Apotheken in Deutschland. Es sei „blauäugig“ anzunehmen, das in allen Branchen zu beobachtende Wachstum des Internethandels werde einen Bogen um die Apotheken machen, sagte Claudia Korf, ABDA-Geschäftsführerin Wirtschaft, Soziales und Verträge, beim 54. DAV-Wirtschaftsforum. Korf rechnet bereits mittelfristig mit einen Anstieg des Versandapothekenanteils bei Rx-Arzneimitteln auf 10 Prozent.

„Das wird den Kostendruck auf die Apotheken erheblich erhöhen“, sagte Korf. Ein Anstieg des Rx-Versandhandels auf 10 Prozent bedeuteten 70 Millionen Packungen und 500 Millionen Euro Rohertrag, die den Vor-Ort-Apotheken entgingen. Dieses zu erwartende Wachstum des Rx-Versandhandels wirke „wie ein Teilchenbeschleuniger“ gegen die Präsenzapotheken.

Langfristig rechnet Korf sogar mit einem Anstieg des Rx-Versandhandelsanteils auf 25 Prozent: „Das ist in allen anderen Branchen zu beobachten. Alle Branchen verlieren an den Internethandel“, sagte Korf. Nach dem EuGH-Urteil werde der Rx-Versandhandel ebenfalls „Gas geben“. Nur Boshafte könnten argumentieren, dass der derzeitige Rx-Versandhandelsanteil von 1,3 Prozent im Jahr 2016 nicht systemgefährdend sei.

Nach Angaben Korfs erzielte der Rx-Versandhandel im vergangenen Jahr einen Umsatz von 41,1 Millionen Euro bei sieben Millionen abgegebenen Packungen. Das entspricht einem Anteil von 1,3 Prozent. Im OTC-Segment erreichte der Internethandel einen Anteil von 13,5 Prozent bei 97 Millionen Packungen. Belege für einen Anstieg des Rx-Versandhandels seit dem EuGH-Urteil legte Korf aber nicht vor.

Korf bestätigte, dass die Zahl der Apotheken in Deutschland im ersten Quartal 2017 unter die Schwelle von 20.000 gefallen ist. „Circa 80 Apotheken sind in den ersten drei Monaten vom Netz gegangen“, sagte Korf. „Ein so hartes Quartal gab es seit dem AMNOG nicht mehr.“ Ende 2016 gab es laut BADA 20.023 Apotheken. Ob sich hier bereits Konsequenzen des EuGH-Urteils zeigen, ließ Korf offen. Die Zahl der Apotheken habe jetzt einen „Status wie zu Beginn der 90er Jahre erreicht“. Der Rückgang der Apothekenzahlen verlaufe zwar seit Jahren kontinuierlich, habe sich aber zuletzt wieder ebenso beschleunigt wie die Filialisierung als „milderes Mittel“ gegenüber Apothekenschließungen. „Der Rückgang hat schon 2016 an Dynamik gewonnen“, sagte Korf.

Mit 24,4 Apotheken pro 100.000 Einwohner liegt Deutschland im europäischen Vergleich unter dem Durchschnitt von 31 Apotheken. Spitzenreiter bei der Apothekendichte ist nach wie vor Griechenland mit 87 Apotheken, auf dem letzten Platz liegt Dänemark mit nur sieben Apotheken pro 100.000 Einwohnern. In Deutschland führt Weiden in der Oberpfalz mit 45 Apotheken die Rangfolge bei der Apothekendichte an. Auf dem letzten Platz liegt hier Bottrop mit nur 18 Apotheken.

Beschäftigt sind in den knapp unter 20.000 Apotheken 156.428 Mitarbeiter. Die Frauenquote beträgt 89,1 Prozent und ist leicht rückläufig, weil sich vermehrt Männer für Ausbildungsberufe interessieren. Es gibt 76.402 Teilzeitbeschäftigte.

Leicht rückläufig war im Jahr 2016 mit 1,408 Milliarden die Anzahl der abgegebenen Arzneimittelpackungen. Im Vorjahr waren es noch 1,412 Milliarden Stück. Der Rx-Anteil beträgt lauf Korf 53,6 Prozent. Bei der Selbstmedikation sei bereits eine Abwanderung zum Versandhandel zu erkennen.

Vom Gesamtumsatz einer Apotheke entfielen 80 Prozent auf Rx-Arzneimittel. Der OTC-Anteil sei mit 10 Prozent leicht rückläufig und das Randsortiment mit ebenfalls 10 Prozent Umsatzanteil konstant. Der Trend zu hochpreisigen Arzneimitteln habe sich 2016 abgeflacht.

Für die Zukunft sieht die ABDA-Geschäftsführerin Wirtschaft trotz aller widriger Umstände aber nicht ganz schwarz: Ein OECD-Vergleich zeige, dass es in Deutschland überdurchschnittlich viele teure Krankenhausaufenthalte aufgrund von Arzeimittelproblemen gebe. Daher forderte Korf von der Politik ein „Arzneimittel-Therapiestärkungsgesetz“. Darin stecke für die Apotheker positives Potential. Auch das EuGH-Urteil könne Impulse für „neue Chancen“ geben, schloss Korf ihren Vortrag.

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