Nahrungsergänzungsmittel

Verbraucherzentrale: Magnesium überdosiert

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Berlin -

Multivitamine und Magnesiumpräparate gehören zu den beliebtesten Nahrungsergänzungsmitteln (NEM). Die Verbraucherzentralen haben 42 Magnesiumprodukte hinsichtlich Dosierung, Zusatzstoffen und Werbeaussagen unter die Lupe genommen. Fazit: 64 Prozent der getesteten Produkte sind überdosiert.

Im Herbst nahmen die Verbraucherzentralen für ihren Marktcheck 27 Magnesiumhaltige-Produkte aus Apotheke, Drogerie, Fitnessshop und Lebensmitteleinzelhandel (LEH) und 15 Präparate aus dem Internet unter die Lupe. Im Ergebnis sind 27 der getesteten NEM überdosiert, basierend auf der vorgeschlagenen Höchstmenge des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR). Die empfohlene Tageshöchstdosis für NEM liegt bei 250 mg Magnesium. Bei Erwachsenen sei insgesamt von einem Tagesbedarf von 300 bis 400 mg auszugehen, der jedoch komplett über die Nahrung zugeführt werden könne.

Die Verbraucherzentralen sehen den durchschnittliche Verzehr von 423 mg pro Tag über die getesteten NEM daher als „kritischen Wert“. Die Überdosierung könne zu Durchfällen und Magen-Darm-Beschwerden führen. Auffällig hoch dosiert waren die Produkte aus dem Internet, die auch ungünstige Kombinationen mit Zink sowie den Vitaminen C, D und B6 enthielten. Hier könne eine längerfristige Einnahme gar zu gesundheitlichen Störungen führen.

Eine den Stuhl erweichende Wirkung ist für Magnesium bekannt, laut BfR sind die osmotisch bedingten Durchfälle reversibel. Einen exakten Bedarf könne man für Magnesium nicht angeben, physiologisch sind nach Angaben des BfR 3 bis 4,5 mg/kg Körpergewicht pro Tag für einen gesunden Erwachsenen nötig. Einen Mehrbedarf gebe es für Sportler, Stillende oder etwa Diabetiker.

Magnesium ist das vierthäufigste Kation im menschlichen Körper und zu etwa 95 Prozent intrazellulär zu finden. Mehr als die Hälfte befindet sich in den Knochen und etwa 30 Prozent in den Muskeln. Im Falle eines Mangels kann der Körper auf die oberflächlichen Apatitkristalle der Knochen zugreifen. Aufgenommen wird Magnesium durch passive Diffusion im oberen Dünndarm.

Das in NEM enthaltene Magnesium kann lediglich zu 20 bis 30 Prozent resorbiert werden. Der Rest wird über den Stuhl und den Urin ausgeschieden. Die Aufnahme aus NEM ist nicht nur abhängig von der enthaltenden Verbindung und einem tatsächlichen Mangel, sondern auch von der Menge: Der Körper kann Dosen von 360 mg nur zu etwa 20 Prozent aufnehmen. Werden nur 120 mg zugeführt, verwertet der menschliche Organismus etwa 35 Prozent.

Magnesium ist ubiquitär in der Nahrung enthalten. Milch- und Getreideprodukte können als natürliche Lieferanten dienen. Sonnenblumenkerne enthalten pro 100 g etwa 400 mg des Mineralstoffes, Haferflocken 134 mg, Weizenbrot 24 mg, Gouda 28 mg, Schokolade mit einem Kakaogehalt von 40 Prozent 100 mg und Pute 20 mg. Getränke oder Milcherzeugnisse können mit Magnesium angereichert sein. Laut BfR führen solche Lebensmittel wahrscheinlich nicht zu Durchfällen, da die zugeführten Mengen vernachlässigt werden könnten.

Lange galt, dass organische Verbindungen in NEM wie Citrat, Chlorid, Lactat oder Aspartat besser aufgenommen werden können und Oxid oder Sulfat schlechter. Organische Magnesiumverbindungen werden aber lediglich schneller aufgenommen.

Zugeführt werden sollen NEM bei einem Mangel, der von unspezifischen Symptomen wie etwa Erschöpfung, Konzentrationsschwäche, Krämpfe, Muskelzuckungen, Depression oder neuromuskulärer Erregbarkeit gekennzeichnet sein kann. Das BfR empfiehlt dann die Aufteilung der vorgeschlagenen 250 mg auf zwei Tagesdosen. Unerwünschte Wirkungen könnten dadurch verringert und die Resorption gesteigert werden. NEM sind grundsätzlich nicht für Kinder unter vier Jahren geeignet, der vorgeschriebene Hinweis „außerhalb der Reichweite von Kindern aufbewahren“ sollte auf den Produkten zu finden sein.

Die Health Claims Verordnung (HCVO) gibt an, welche gesundheitsbezogenen Angaben auf dem Produkt aufgebracht werden dürfen. Zulässig ist beispielsweise der Zusatz „Magnesium trägt zu einer normalen Muskelfunktion bei“. Unzulässig und auf den getesteten Internet-Produkten zu finden sind Aussagen wie „Magnesium ist von elementarer Bedeutung für die Muskelfunktion“ oder „Senkt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen“.

Die Packungen müssen ebenfalls Warn- und Anwendungshinweise enthalten. NEM dienen beispielsweise nicht als Ersatz für eine ausgewogene Ernährung, die angegebene empfohlene Verzehrmenge sollte nicht überschritten werden. Auch diese Hinweise fehlten meist auf der Internetware.

Die Verbraucherzentralen fordern verbindliche Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe in NEM. Die amtliche Lebensmittelüberwachung sei gefordert und müsse den Markt auf unzulässige Gesundheitsaussagen überwachen und ahnden. Des Weiteren müssten NEM einer behördlichen Prüfung unterzogen werden, bevor sie auf den Markt kämen. Sicherheit und Wirksamkeit würden aktuell nicht geprüft.

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