Was ist erlaubt?

Update: Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland

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Berlin -

In Amerika ist das Thema Abtreibung gerade durch ein mögliches Verbot durch den Supreme Court im Fokus der Medien, denn das liberale Abtreibungsgesetz steht auf der Kippe. Doch auch in Deutschland beschäftigt das Thema Schwangerschaftsabbrüche Ärzt:innen und Frauen. Hierbei geht um das Heilmittelwerbegesetz (HWG) und die aktuell noch geltenden Grenzen der Information potenzieller Patientinnen.

Die Bundesregierung plant die Aufhebung des Verbots der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch – § 219a des Strafgesetzbuches (StGB) soll hierfür gestrichen werden. Am 13. Mai soll die Änderung des HWG erstmals beraten werden. Das Gesetz soll überdies so angepasst werden, dass neben medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbrüchen auch medizinisch nicht indizierte erfasst werden. Ein Informationsangebot für Schwangerschaftsabbrüche soll möglich werden, sodass betroffene Frauen sich unkompliziert einen ersten Überblick über die Möglichkeiten und Eingriffe verschaffen können.

Was gilt aktuell in Deutschland?

„Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ (§218 StGB). Dabei ist auch schon der Versuch strafbar, außer die Schwangere unternimmt den Versuch selbst – dann erfolgt keine strafrechtliche Verfolgung. Dennoch können Frauen in Deutschland nach §218a StGB bis zu 12 Wochen nach der Empfängnis einen Schwangerschaftsabbruch durch einen Arzt/eine Ärztin vornehmen lassen, ohne straffällig zu werden. Grundlage für diese Straffreiheit bietet die Beratungsregelung.

Unter folgenden aktuell geltenden Bedingungen bleibt der Eingriff straffrei:

  • Der Schwangerschaftsabbruch muss explizit von der Frau verlangt werden.
  • Die gesetzlich vorgeschriebene Schwangerschaftskonfliktberatung muss wahrgenommen worden sein. Anbieten dürfen diese Beratung nur staatlich anerkannte Beratungsstellen.
  • Zwischen Beratung und Behandlungsschein müssen drei Tage vergehen.
  • Seit der Empfängnis dürfen nicht mehr als 12 Wochen vergangen sein (14. SSW, wenn vom ersten Tag der letzten Monatsblutung gezählt wird).
  • Der Abbruch wird von einem Arzt/einer Ärztin durchgeführt. Beratung und Eingriff dürfen nicht von ein und demselben Arzt/ein und derselben Ärztin durchgeführt werden.

Übrigens: Während der Corona-Pandemie wurden Behandlungsscheine auch nach digitalen Gesprächen ausgestellt. Da viele Beratungsstellen nur eingeschränkte Öffnungszeiten hatten, der Eingriff jedoch zeitkritisch sein kann, ist eine digitale Beratung per Video ebenfalls möglich.

Medizinisch oder nicht medizinisch indiziert

Es gibt Schwangerschaften, bei denen es zu einem erheblichen Gesundheitsrisiko für die Frau kommen kann. In solchen Fällen spricht man von einem medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbruch. Laut Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend liegt solch eine medizinische Indikation liegt vor, wenn für die Schwangere Lebensgefahr oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes besteht. So kann bei Schwangerschaften, die auf einem Sexualdelikt beruhen, von einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der seelischen Gesundheit ausgegangen werden. Dann ist der Abbruch über die 14 SSW hinaus möglich. Auch in diesem Fall müssen Beratung und Eingriff von unterschiedlichen Ärzt:innen vorgenommen werden. In diesen Fällen trägt die Krankenkasse die Kosten für den Eingriff.

Medizinisch nicht indizierte Schwangerschaftsabbrüche müssen von der Frau selbst bezahlt werden. Liegt eine soziale Bedürftigkeit vor, so kann eine Kostenerstattung beantragt werden. Laut Ministerium werden Als bedürftig werden bis Ende Juni 2022 Frauen als sozial bedürftig angesehen, deren verfügbares persönliches Einkommen 1258 Euro im Monat nicht übersteigt.

Medikamentös oder operativ

Eine Schwangerschaft kann auf zwei verschiedenen Wegen erfolgen. Zum einen kann der Abbruch durch Medikamente herbeigeführt werden. Mifepriston, ein kompetitiver Progesteronantagonist, hemmt das für die Schwangerschaft essenzielle Hormon Progesteron. Ohne dieses Hormon kommt es zur Ablösung der Gebärmutterschleimhaut und des Fruchtsackes. 36 bis 48 Stunden später muss die Frau zusätzlich Prostaglandinanalogons (Misoprostol oder Gemeprost) einnehmen. Es kommt zu einer verstärkten Wirkung von Mifepriston. 24 Stunden nach der Einnahme setzt eine Blutung, ähnlich der Menstruationsblutung ein. Bei vielen Frauen kommt es bereits wenige Stunden nach der Einnahme zu diesem Symptom.

Übrigens: Das zugehörige Fertigarzneimittel Mifegyne (Nordic) kann nicht über den Großhandel bestellt und auf Rezept abgegeben werden. Das Mittel ist ausschließlich von Praxen und Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, beziehbar.

Bei der operativen Entfernung kann die Frau meist wählen, ob sie in Vollnarkose oder lokaler Anästhesie behandelt werden möchte. Der operative Eingriff ist auch unter dem Begriff Absaugung bekannt, da für den Eingriff ein Röhrchen in die Vagina eingeführt wird durch welches der Embryo und die Gebärmutterschleimhaut abgesaugt werden. Zumeist erfolgt der Eingriff ambulant.

Wichtig: Frauen, die Rhesus-negativ sind, sollten nach dem Eingriff Anti-D-Immunglobuline erhalten. So kann das Risiko der Bildung von Antikörpern bei einer späteren Schwangerschaft verhindert werden.

Internationaler Vergleich

In 72 Ländern ist ein Schwangerschaftsabbruch aktuell ohne gesundheitliche oder sozioökonomische Gründe möglich. Noch gehören auch die USA dazu. In Europa bilden Großbritannien, Finnland, und Polen eine Ausnahme. In Großbritannien und Finnland sind Abtreibungen aufgrund von sozioökonomischen Gründen möglich. Die Gesetze bieten meist einen relativ großen Interpretationsspielraum. Vor der Durchführung eines Eingriffes wird die soziale und wirtschaftliche Situation der Frau betrachtet und mit Blick auf eine mögliche Mutterschaft bewertet. In Polen ist ein Abbruch erlaubt, wenn eine unmittelbare Gefahr für die Frau besteht und es zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen kommt.

Der Zeitraum, wie lange Frauen einen Abbruch vornehmen können, unterscheidet sich von Land zu Land. Während portugiesische Frauen bis zur 10. Woche abtreiben können, kann der Eingriff in Frankreich bis zur 16. Woche vorgenommen werden (berechnet jeweils vom ersten Tag der letzten Periode). In Schweden kann ein Abbruch bis zur 18. Woche durchgeführt werden und in Island sogar bis zur 22. Woche.

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