Schwerte

Stromausfall: Apotheke rettet Medikamente im Mitarbeiterkühlschrank

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Berlin -

Die Bewohner des westfälischen Schwerte saßen am Mittwoch im Dunkeln: Ab kurz vor 10 Uhr vormittags war ein Großteil der knapp 50.000 Einwohner zählenden Stadt ohne Strom – und zwar ungeplant wie unangekündigt nach einem Feuer in einem Umspannwerk. Das hieß auch: Keine Info, wann es wieder Strom gibt – und das dauerte bis abends 18 Uhr. Auch die Apotheken in der Stadt mussten deshalb kreative Lösungen finden. So auch die St.-Viktor-Apotheke von Heike Nickolay: Sie fuhr kühlpflichtige Medikamente kurzerhand zu einer Kollegin nach Hause, die noch Strom hatte.

Am Mittwoch war in Schwerte Ausnahmezustand: Die Stadt war voller Polizei und Feuerwehr, nicht zuletzt, weil die Ampelanlagen ausgefallen waren und der Verkehrt manuell geregelt werden musste. „Bei der Polizei gingen zahlreiche Anrufe aus der Bevölkerung wegen ausgefallener Ampelanlagen und ausgelöster Alarmanlagen ein“, teilt die Kreispolizeibehörde Unna mit. „Daraufhin wurden zur Unterstützung mehrere Einsatzkräfte in das Stadtgebiet entsandt, um eventuelle Straftaten zu verhindern, Verkehrsregelungen durchzuführen und den Bürgerinnen und Bürgern als direkte Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen.“

Allerdings waren übereinstimmenden Berichten zufolge auch die meisten Behörden, inklusive der Polizei, lange Zeit nicht erreichbar: der unerwartete Stromausfall hatte auch zu einem großflächigen Zusammenbruch des Telefon- und Mobilfunknetzes geführt. Tausende Menschen tappten deshalb im Dunkeln: Der Strom war ausgefallen und auch die Ursache hatte sich herumgesprochen – wie lange es so bleiben würde, wusste hingegen kaum jemand. Und sich zu informieren, ist ohne Telefon und Internet nicht gerade einfach. Vor allem aber hatten zahlreiche Betriebe mit großen Problemen zu kämpfen: So hatten Lebensmittelmärkte vorübergehend geschlossen, weil ihre Kühlanlagen ausgefallen waren. Auch ein Pflegeheim sei betroffen gewesen, in dem die hauseigene Küche ausfiel.

Nicht einfach schließen konnten hingegen die Apotheken der Stadt – obwohl sie mit denselben Problemen zu kämpfen hatten. „Kurz vor zehn Uhr ging bei uns der Strom aus, ohne dass wir wussten, was los ist“, erzählt Heike Nickolay, Inhaberin der St.-Viktor-Apotheke in Schwerte. „Gott sei Dank hatten wir ein kleines Notstromaggregat, sodass wir noch ungefähr zwei Stunden arbeiten konnten.“ Doch auch das gab irgendwann den Geist auf – für Nickolay und ihr Team war dann Improvisation angesagt.

„Wir wollten natürlich erst einmal rausfinden, wie lange der Stromausfall noch geht, schließlich haben wir ja auch einen Medikamentenkühlschrank.“ Doch das gestaltete sich aus genannten Gründen durchaus schwierig. „Das Telefon ging natürlich nicht und dann ist auch noch das Mobilfunknetz zusammengebrochen, weil jeder mit dem Handy rumgelaufen ist und versucht hat, irgendwelche Informationen zu bekommen.“ Und selbst wenn sie jemanden erreich hätten: Es hätte nicht viel gebracht. Wie lange der Spuk noch anhalten würde, konnte zu dem Zeitpunkt noch niemand sagen.

Also mussten Nickolay und ihr Team das Beste aus der Situation machen: Die Computer waren aus, also konnten weder Rabattverträge gecheckt noch Ausbuchungen bei Securpharm durchgeführt werden. Auch Bestellungen beim Großhändler waren nicht zu bewerkstelligen – nicht mal telefonisch. „Da merkt man erst mal, wie abhängig man ist“, sagt die Inhaberin.

„Wir haben dann noch munter Masken abgegeben, denn die muss man ja nicht ausbuchen“, erzählt sie. Die Apotheke in so einem Fall zu verlassen, wäre trotzdem nicht zulässig, das habe ihr die Kammer im Nachhinein bestätigt. Denn für Notfälle muss sie natürlich trotzdem anwesend sein. Und dass das nicht abwegig ist, hat sich auch gezeigt: „Einem Patienten haben wir ein Antibiotikum in der Zeit abgeben. Da war mir der Rabattvertrag dann auch egal, denn das war wichtig“, sagt Nickolay. Andere Rezepte konnte ich zum Glück aus dem Kopf bearbeiten, weil ich da wusste, dass es keinen Rabattvertrag gibt. Bei Kunden, die sie kennt, habe sie wiederum auf Vertrauen gesetzt: Sie hat ihnen die Ware abgegeben und verlässt sich darauf, dass sie die beim nächsten Mal bezahlen.

Immerhin sei in der Zeit auch der Kundenverkehr spürbar zurückgegangen – schließlich hatten die meisten zu der Zeit andere Probleme. „Eine Mitarbeiterin, die an dem Tag frei hatte, kam noch vorbei und fragte, ob sie sich etwas Geld aus der Kaffeetasse leihen kann – denn die Geldautomaten gingen schließlich auch nicht.“ Darüber konnte sie noch schmunzeln, doch mit zunehmender Dauer wurde eine Frage immer drängender: Was wird mit den Medikamenten im Kühlschrank. „Die hatten einen Wert von 2000 bis 3000 Euro, das kann man natürlich nicht einfach verfallen lassen.“ Hier kam eine andere Kollegin ins Spiel, nämlich die einzige, die nicht in Schwerte wohnt. „Sie wohnt an der Stadtgrenze zu Dortmund und hatte zuhause noch Strom. Da hat sie ihren Lebensgefährten angerufen, der ein Büro samt Kühlschrank im Haus hat.“

Also packten sie alles in drei Kühlboxen und ließ die Arzneimittel bei der Kollegin übernachten. Von anderen Apotheken in der Stadt habe sie gehört, dass sie wohl nicht die einzige war, die es so handhabt. Andernorts hätten sogar Stammkunden angeboten, Arzneimittel bei ihnen zuhause zwischenzulagern. Nur ein Problem habe sie noch lösen müssen, bevor sie gehen konnte: „Es war ja herrlich warmes Wetter, also hatten wir den ganzen Tag die Tür offenstehen: Aber das ist eine Automatiktür.“ Glücklicherweise sei es dann möglich gewesen, die Tür auch mechanisch zu schließen. „Wir sind also nochmal mit einem blauen Auge davongekommen. Ich glaube, die Lebensmittelgeschäfte hatten es schwerer als wir, da haben einige Läden am nächsten Tag ausgeräumt.“

 

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