Apotheken gegen häusliche Gewalt

„Maske 19“: Codewort am HV soll bundesweit helfen

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Berlin -

Das Codewort „Maske 19“ für Opfer häuslicher Gewalt soll bald auch bundesweit Anwendung finden. Nachdem in Nordrhein-Westfalen kürzlich der Landtag beschlossen hat, die Idee aufzugreifen, will sie ein Verband berufstätiger Frauen nun auch in den Berliner Apotheken und darüber hinaus etablieren. Er stellt Poster zur Verfügung, mit denen sich Apotheken als sichere Anlaufstellen für Opfer häuslicher Gewalt ausweisen können.

„Sie sind akut von häuslicher Gewalt betroffen und können nicht ungehindert den Polizei-Notruf wählen? Wir Apotheker*innen helfen Ihnen weiter“, könnte bald an zahlreichen Schaufenstern zu lesen sein. „Nennen Sie uns einfach das Codewort ‚Maske 19‘. Bleiben Sie hier. Wir verständigen die Polizei für Sie.“ Die DIN-A5-Poster zum Aushang vor oder in der Apotheke stellt derzeit die Union deutscher Zonta-Clubs zur Verfügung, ein Service-Club berufstätiger Frauen in Führungspositionen, der nach eigenen Angaben in über 100 deutschen Städten vertreten ist. Mit dem Poster weisen sich Apotheken als „Maske19-Partner“ aus, so Zonta. „Das ist zur Orientierung für Betroffene wichtig. Es sollte daher in ihrer Apotheke gut sichtbar angebracht werden.

Darüber hinaus empfiehlt Zonta, die Mitarbeiter des Betriebs über das Vorgehen aufzuklären: „Die Kundin nennt das Codewort ‚Maske 19‘. Das genügt. Sie wird diskret sofort beiseite genommen, der Polizeinotruf wird verständigt.“ Sämtliche Info-Materialien – neben dem Poster sind das noch Flyer und Visitenkarten – seien in Rücksprache mit Fachexperten entwickelt worden und sind auf der Zonta-Website kostenlos abrufbar. „Apothekerinnen und Apotheker können sich zur Aktion ‚Maske 19‘ vor Ort auch mit den Zonta Clubs in Verbindung setzen beziehungsweise werden dazu bei Interesse auch persönlich durch die Mitglieder der Zonta Clubs kontaktiert, die sich aktiv vor Ort an ‚Maske 19‘ beteiligen.“

Bereits seit Beginn der Coronakrise warnen international Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen davor, dass die Folgen der Covid19-Pandemie die Verschlimmerung häuslicher Gewalt begünstigen. Die Idee, Apotheken als niedrigschwellige Anlaufstationen für Betroffene zu nutzen, ist dabei nicht neu. In Frankreich, Spanien, Griechenland, Belgien und den Niederlanden gibt es bereits ähnliche Projekte. In Belgien dürfen Apothekenmitarbeiter sogar selbstständig die Daten der betroffenen Kunden an die Behörden weitergeben. In Frankreich ging bereits Ende März ein Rundschreiben an die Apotheken, das die neue Vorgehensweise erklärt.

Ende Juni hatten die Regierungsfraktionen im nordrhein-westfälischen Landtag einen Antrag eingebracht, mit dem die Landesregierung aufgefordert wird, das Projekt im ganzen Bundesland auszurollen. Einer repräsentativen Umfrage der TU München und des RWI-Leibniz-Instituts zufolge wurden 3 Prozent der Frauen in Deutschland während der Zeit der strengen Kontaktbeschränkungen während der Pandemie Opfer häuslicher Gewalt, erklärte die FDP-Abgeordnete Susanne Schneider. Auch die Bundespsychotherapeutenkammer habe bereits festgestellt, dass die Fallzahlen häuslicher Gewalt gestiegen sind. Betroffenen müsse deshalb die Möglichkeit gegeben werden, Hilfsprogramme so niedrigschwellig wie möglich in Anspruch zu nehmen, forderte die CDU-Abgeordnete und frauenpolitische Sprecherin der Fraktion Heike Troles bei der Aussprache.

Schneider verwies als Vorbild für das Projekt nicht nur auf andere europäische Länder, sondern auch das Projekt „Luisa ist hier!“, das im Dezember 2016 vom Münsteraner Frauen-Notruf ins Leben gerufen wurde und mittlerweile in 40 deutschen Städten angeboten wird. Frauen können dabei in Kneipen, Bars oder Clubs mit der Frage „Ist Luisa hier?“ signalisieren, dass sie sexuell belästigt werden. Das Projekt erhielt große Resonanz und wird mittlerweile auch in der Schweiz und Österreich angeboten.

Bereits im April hat der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) ein Projekt mit dem Dachverband der autonomen Frauenberatungsstellen in NRW gestartet. Dabei werden Hinweiszettel mit den Kontaktdaten wichtiger Anlaufstellen ausgelegt, an die sich sowohl die Opfer häuslicher Gewalt wenden können, als auch diejenigen, die Rat brauchen, wie Opfern geholfen werden kann. „Der Gang zur Apotheke ist derzeit eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen Opfer häuslicher Gewalt den eigenen vier Wänden entkommen können“, erklärt Aysel Sırmasaç, Geschäftsführerin des Dachverbands der autonomen Frauenberatungsstellen NRW die Aktion.

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