Pharmazeuten sind keine Pflicht

Impfstoffaufbereitung = Arzneimittelherstellung?

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Berlin -

Der  Impfstoff von Biontech muss nach dem Auftauen verdünnt und ausgeeinzelt werden. Hierbei handelt es sich um eine Herstellung. Innerhalb der Apotheke dürfte diese Aufgabe ausschließlich von pharmazeutischem Personal übernommen werden – in den Impfzentren und mobilen Impfteams sieht das anders aus.

Viele Bundesländer setzen zum Start der pandemischen Impfung auf pharmazeutisches Personal. In den mobilen Teams soll der empfindliche mRNA-Impfstoff von Apothekern oder PTA aufbereitet werden. Bei der Herstellung muss der Impfstoff zunächst aufgetaut, dann verdünnt und zuletzt ausgeeinzelt werden. Der gesamte Herstellprozess sollte unter einer aseptischen Arbeitsweise erfolgen. In den meisten Bundesländern stehen keine Rezeptur- oder Sicherheitswerkbänke zu Verfügung, sodass der Herstellende sehr aufmerksam arbeiten muss.

Doch nicht in allen Bundesländern wird die Aufbereitung von pharmazeutischem Personal übernommen. In Nordrhein-Westfalen spielen Pharmazeuten beispielsweise nur in den Impzentren eine Rolle. Innerhalb der mobilen Teams erfolgt die Aufbereitung durch den impfenden Arzt oder eine MFA. Einigen Apothekern ist diese Vorgehensweise ein Dorn im Auge, da es sich laut Aussagen des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) um eine Herstellung handelt. Arzneimittelherstellungen dürfen nur von pharmazeutischem Personal durchgeführt werden – zumindest in der öffentlichen Apotheke. In anderen Bereichen gilt diese strenge Regelung nicht. So finden sich in der Industrie oder vielen Herstellbetrieben auch CTA, BTA oder fachfremde Kräfte. Nach ausreichender Schulung und Dokumentation der Einarbeitung dürfen sie die Arzneimittelherstellung übernehmen.

Laut Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) beruht die unterschiedliche Aufstellung der Teams darin, dass die Verantwortung der mobilen Impfungen allein bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) liegt. So heißt es: „In NRW werden zwei Prozesse unterschieden: Die Herstellung des Impfstoffs zur unmittelbaren Anwendung in den mobilen Impfteams, in alleiniger Verantwortung der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein ohne zwingende Beteiligung pharmazeutischen Personals. Bei der Rekonstitution des Impfstoffes in den Impfzentren handelt es sich dagegen um eine Arzneimittelherstellung im Sinne des AMG. Diese erfolgt auf Basis der vom MAGS zur Verfügung gestellten Verfahrensanweisung und ist durch qualifiziertes pharmazeutisches Personal unter keimarmen Bedingungen durchzuführen.“

Auch in anderen Bundesländern sucht man Apotheker in den mobilen Teams vergeblich. In Berlin übernehmen beispielsweise PTA die Aufgabe der Rekonstitution. Im Pflegeheim angekommen, arbeiten sie ohne Aufsicht eines Apothekers – lediglich der Arzt wirft einen Blick über die Herstellung. Doch auch hier sind Teams ohne pharmazeutisches Personal unterwegs: Jedem Arzt wurde die Möglichkeit gegeben, eine MFA mitzubringen. Arzt und MFA bilden dann gemeinsam mit zwei Soldaten ein Team.

Der Begriff „Herstellen“ ist laut Arzneimittelgesetz (AMG) wie folgt definiert: „Herstellen ist das Gewinnen, das Anfertigen, das Zubereiten, das Be- oder Verarbeiten, das Umfüllen einschließlich Abfüllen, das Abpacken, das Kennzeichnen und die Freigabe.“ Die Rekonstitution eines Fertigarzneimittels ist ebenfalls im § 4 AMG definiert: „Überführung in seine anwendungsfähige Form unmittelbar vor seiner Anwendung gemäß den Angaben der Packungsbeilage oder im Rahmen der klinischen Prüfung nach Maßgabe des Prüfplans.“

Für Apotheker und PTA, die künftig in den Impfzentren in NRW arbeiten, wurde ein Video zu Schulungszwecken erarbeitet. Die Apothekerkammern in Nordrhein und Westfalen-Lippe haben das Video zur Rekonstitution des Biontech-Impfstoffes Comirnaty als zusätzliche Hilfestellung erstellt. Im Fokus des Videos steht das grundlegende Prinzip der aseptischen Arbeitsweise. „Schritt-für-Schritt“ wird erklärt, wie Apotheker und PTA auch ohne Werkbank so keimarm wie möglich arbeiten können. Darüber hinaus wurde bereits vor Weihnachten seitens der Kammern ein Online-Seminar mit über 1000 Apothekern veranstaltet. Diese Schulung wird in regelmäßigen Abständen wiederholt.

 

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