46 Stunden, 300 km und 5 PKW

Impf-Einsatz: Ein Apotheker zieht Bilanz

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Berlin -

Seit Wochen sind Apotheker*innen und PTA unermüdlich im Einsatz, um die Bevölkerung mit dem Corona-Impfstoff versorgen zu können. Der Aufwand und die Organisation stehen dabei allerdings in keinem Verhältnis zur Wertschätzung oder gar Entschädigung. Apotheker Dr. Simon Krivec aus Moers berichtet von seinen Erfahrungen an der „Corona-Front“.

Bereits seit sechs Wochen ist das Team der Adler-Apotheke in Moers täglich im Impf-Einsatz – auch am vergangenen Mittwoch. Der Ablauf an diesem Tag – „nur die Spitze des Eisberges“, meint Krivec. Spontanität sei jeden Tag gefragt. In drei Altenheimen im Kreis war das Apotheken-Team im Einsatz, zusätzlich wurden sie im Impfzentrum Wesel dringend benötigt. Insgesamt waren vier Apotheker*innen und vier PTA an der Aktion beteiligt.

Für die erste PTA beginnt der Einsatz um 8:30 Uhr im ersten Heim, welches rund 15 km entfernt in Kamp-Lintfort auf sie wartet. Ohne Pause geht es im Anschluss zurück nach Moers. Dort werden, gemeinsam mit einer weiteren PTA, sowie einer Apothekerin und Krivec selbst, weitere Impfstoffdosen aufbereitet. „Zwischen 11.30 und 14.30 Uhr wurden knapp 300 Impfdosen hergestellt“, berichtet der Apotheker. Parallel dazu sind eine weitere PTA und eine Apothekerin in ein drittes Heim gefahren, um bis 14 Uhr zu helfen. Zwei weitere Mitarbeiter der Apotheke nehmen mittags eine Strecke von mehr als 40 km nach Wesel auf sich, um bis abends weitere Biontech-Impfdosen aufzubereiten. „Vor 21 Uhr waren die beiden nicht zurück in Moers“, meint Krivec.

Seit Dienstag ist vom Land NRW die Entnahme einer siebten Impfdosis pro Vial offiziell erlaubt. „Vor drei Tagen hieß es noch von der KV, die Entnahme sei verboten“, erklärt Krivec. „Den Auftrag – wo möglich – sieben Impfdosen zu entnehmen, haben meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seit dem ersten Tag unseres Einsatzes“, gibt er zu. „Möglichen Impfstoff bei bekannter Knappheit vorsätzlich zu vernichten, kann ich mit meinem Berufsethos nicht vereinbaren – Anordnung hin oder her.“ Hier sei pragmatisches Vorgehen gefragt. „Plötzlich ist alles anders und wir alle rehabilitiert. Das Ganze verstehen? Muss ich nicht!“, kritisiert der Apotheker.

Angst vor Anfeindungen hat Krivec nicht. „Ich kann ja plausibel erklären, warum wir so vorgegangen sind.“ Eine häufige Diskussion sei außerdem, wie mit übrigen Impfdosen am Ende des Tages umgegangen wird. „Hier muss ich abwägen, ob die Dosen tatsächlich im Müll landen, oder die Impfreihenfolge eben mal nicht eingehalten wird.“ So würden auch mal Mitarbeiter aus der Verwaltung oder Angehörige der Heimbewohner versorgt, wenn Impfstoff zuviel ist. Oft käme es dabei jedoch zu „Neid-Debatten“. Diese kann der Apotheker zwar verstehen, allerdings müsse man froh um jede verabreichte Spritze sein – denn das sei schließlich der Weg zurück zur Normalität.

Aufgrund der siebten Dosis bleiben auch am Mittwoch in zwei der Heime einige Vials übrig. Um einen Verwurf zu vermeiden, bietet sich Krivec an, den Überschuss persönlich ins Impfzentrum zu fahren. „Unterwegs erreicht mich ein Anruf aus dem Impfzentrum mit der Bitte, ob ich nicht spontan auch ein Heim in Rheinberg anfahren kann.“ Dafür sind weitere Vials abzuholen. Kurzerhand legt der Apotheker einen Schlenker zur Apotheke ein, um eine Kühlbox zu holen. „Insgesamt transportiere ich schlussendlich 18 Vials unter Einhaltung der Kühlkette nach Wesel.“ Da erstmals auch der Impfstoff von AstraZeneva verimpft wird, hat sich vor dem Impfzentrum bereits eine lange Schlange gebildet. Für das Aufziehen des AstraZeneca-Imfpstoffes und die Verimpfung sind jedoch die Ärzte der KV zuständig. „Einmal vor Ort helfe ich spontan noch mit, den Impfstoff aufzuziehen und die Impfungen zu beschleunigen.“ Erst am Abend ist Krivec zurück in Moers.

„Höchste Zeit Bilanz zu ziehen“, meint der Apotheker: „Insgesamt sind heute vier PTA und vier Apotheker meiner Apotheke insgesamt 46 Stunden im Einsatz gewesen und haben fast 300 km mit fünf PKW zurückgelegt.“ Nach den Verträgen zwischen MAGS NRW und Apothekerkammer Nordrhein können davon jedoch nur 28 Stunden abgerechnet werden. „Die Tatsache, dass ich als Apothekeninhaber am Ende allein am heutigen Tag fast 1000 Euro aus eigener Tasche draufgelegt habe ist geschenkt bei dem guten Gefühl, mehr als 120 Menschen eine Impfung ermöglicht zu haben, die erst in ferner Zukunft dran gewesen wären, und einen weiteren Schritt aus der Pandemie hinaus getan zu haben“, findet Krivec.

Einen Wermutstropfen gibt es dennoch: „Was mich viel mehr bedrückt ist die fehlende Wertschätzung von Bund und Land für all diejenigen, die sich vor Ort in den mobilen Teams und im Impfzentrum seit Wochen aufopfern, um den Laden am Laufen zu halten – ohne diesen Pragmatismus und Idealismus vor Ort, wären wir noch weit schlimmer dran“, findet er.

Dank gebühre dabei nicht nur den Mitarbeiter:innen im Impf-Team, sondern auch denjenigen, die ihnen in der Apotheke den Rücken für diese Arbeit freihalten und dadurch ebenfalls große Mehrarbeit leisten. Glücklicherweise sei seine Apotheke personell gut aufgestellt, für kleinere Apotheken sei es nicht so einfach, meint Krivec. „Das Team muss einfach gut funktionieren und man muss wissen, wofür man es tut.“ Ein hohes Maß an Idealismus sei notwendig und jeder müsse persönlich etwas zurückstecken. „Mit Geld ist das nicht aufzuwiegen.“

Krivec hat deshalb einen Wunsch, wenn es um die zukünftige Plaung geht: „Den Entscheidern in Land und Bund, Kammer und KV empfehle ich mehr Weitsicht, ein größeres Problembewusstsein für die Sorgen vor Ort und vor allem mehr Wertschätzung für die geleistete Arbeit.“ Der Apotheker wünscht sich außerdem, dass die fachliche Expertise der Apotheken mehr gefragt wird. Unter anderem könnten die Apotheken mit Sterilherstellung – zu denen auch die Adler Apotheke gehört – mehr eingebunden werden und ihr Können einbringen.

 

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