Labor-Debatte #4

Das sind Gründe, die Empfehlung zu wechseln

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Berlin -

Ende der Freundschaft: Zwei Apotheker listen Bayer aus, weil der Konzern sich Monsanto einverleibt hat. Andere Kollegen streichen bestimmte Hersteller, wenn diese mit ihren Produkten im Mass Market auftauchen. Wieder andere achten genau auf aktuelle Risikomeldungen oder Studienergebnisse. Im LABOR, dem Debattenforum von APOTHEKE ADHOC, wollten wir es genauer wissen: Welche Gründe gibt es, die Empfehlung zu wechseln?

Das Thema traf den Nerv der Branche: Binnen kurzer Zeit kamen zahlreiche Diskussionsbeiträge zusammen.

Zwei Teilnehmer gaben an, ihre Empfehlung dann zu ändern, wenn Kunden sich beschweren:

„Für mich wären nur echte Kundenbeschwerden ein Grund, etwas aus dem Sortiment zu nehmen. Sonst gehen die Kunden erst recht in den Supermarkt, wenn sie bei uns nicht mehr bekommen, wonach sie suchen.“

„Bei uns wird aussortiert, wenn mehrfach Kundenbeschwerden über ein Produkt eingehen. Etwa bei einem Ätzmittel gegen Warzen.“

Ganz nach dem Motto: Der Kunde ist König. Die Empfehlung richtet sich – wen hätte es gewundert – insbesondere nach den Präferenzen der Kunden.

Ein weiterer Teilnehmer hatte ein anderes Beispiel parat:

„Ich kenne einen Kollegen, bei dem Umckaloabo wegen der Debatte um Leberschäden ausrangiert wurde, solange das nicht aufgeklärt war.“

Er bezeichnet diese Haltung als „aktive Sortimentspolitik“ nach dem Grundsatz: Ein Produkt, dessen pharmazeutischer Nutzen in krassem Gegensatz steht zu dessen gesundheitlichen Risiken, lässt sich nicht empfehlen.

Wenn Stiftung Warentest oder Öko-Test ein Produkt verreißen, kann dies auch in der Apotheke aufschlagen. Wie gehen die Kollegen damit um?

„Ich hatte mal den Fall, daß ein Kunde sich ausführlich beraten ließ und sich dann fürchterlich aufregte, daß Ökotest das Produkt verrissen hatte. War schwer, aus dieser Situation rauszukommen. Wir machen lieber ein Paar Tage Pause, wenn sowas war.“

Als „Kapitulation vor manipulativen Journalisten“ bezeichnet eine Kollege dieses Vorgehen:

„Entweder, die Kritik von Ökotest ist substanziell, dann fliegt ein Produkt komplett. Oder aber, es wird wieder mal die Farbe der Umverpackung zum Anlass genommen, ein Top-Präparat zu diskreditieren, dann sage ich 'ERST RECHT' – WIR sind die Arzneimittelfachleute!“

Ein Kollege pflichtete ihm bei:

„Bei Warentest ist es nicht immer ganz so einfach, aber wenn man die Bewertungskriterien, die Mechanismen bei den 'Tests', die Leitlinien oder die Evidenz kennt, lässt sich das meist leicht überwinden. Vor allem wenn man weiss wer gerade den speziellen Test als Sachverständiger bewertet hat und auf welchem historischen Wissensstand da zum Teil argumentiert wird, da hat sich das Thema oft schnell erledigt.“

Grundsätzlich sind die Kollegen selbstbewusst – und lassen sich von den Testern nicht aus der Ruhe bringen:

„Wer heilt hat Recht! Warum soll ich jemandem von Wick Medinait abraten, wenn er damit gute Erfahrungen gemacht hat? Und Kräuterschnaps verkaufen dürfen wir nunmal nicht.“

„Wenn jemand kommt mit der Aussage: Im Internet habe ich gelesen, dass… antworte ich meist mit leicht ironischem Unterton: 'Wenn das im Internet steht, dann muss es wohl stimmen.' Der Punkt ist dann normalerweise abgehakt.“

Wichtiger als die Meinung vermeintlicher Experten ist für einige Kollegen auch die eigene Erfahrung, die sie mit einem Produkt gemacht haben:

„Meine Gründe zu wechseln sind oftmals auch eigene Erfahrungen, d.h. was Neues oder Anderes ausprobiert und begeistert gewesen. Das kann ich dann auch mit Überzeugung weiterempfehlen und der Kunde merkt, dass meine Empfehlung ehrlich gemeint ist.“

Die Einstellung, wann Apothekenteams sich von einer Marke verabschieden, ist offenbar auch von der Funktion der Diskutanten in der Apotheke abhängig. Ein Apothekenleiter oder eine PKA – die ja im Einkauf agieren – sehen diese Frage komplett anders als eine ambitionierte PTA oder angestellte Apothekerin, die vor allem in der Beratung stehen.

„Wir haben ja oft genug die Wahl unter gleichen Produkten. Wenn es dann Hersteller gibt, die sich bei Retouren blöd anstellen, die Ihre Ware aktiv im Drogeriemarkt anbieten, die bei Kosmetik sich bei Reklamationen und Proben destruktiv verhalten, dann kann man auf andere Hersteller umswitchen.“

„Auch ungünstig (für die Firmen) ist es, wenn mal wieder wortlos der Außendienst eingestellt wird, und die Ware die verfallen ist leiiider nicht zurückgenommen werden kann, weil sie schon zu lange 'drüber' ist.“

Andererseits muss auch die beste Empfehlung überdacht werden, wenn nebenan etwa der Supermarkt oder dm und Rossmann das Produkt verkaufen:

„Autan wurde auch ausgelistet, weil die diversen Sprays und Lotionen nebenan im Supermarkt in der Grabbelkiste unterhalb unseres EKs angeboten wurden… geht gar nicht!“

Monatlich gebe es das nicht, aber:

„Dieses Jahr hat es zwei oder drei Firmen getroffen, letztes Jahr auch zwei. Eine kann sich noch 'rehabilitieren' (Vichy hat einen neuen Außendienst).“

Eine Kollegin findet, dass die Apotheker stringenter sein sollten:

„Ehrlich gesagt vermisse ich da so manchmal den Aufschrei. Die Lichtwer-Zeit ist längst vorbei, heute nimmt es doch jeder eher hin. Wir haben jedenfalls aufgehört auszulisten.“

Da sind sich alle einig: Egal, wie gut ein Produkt ist – wenn es nebenan verramscht wird, muss die Empfehlung überdacht werden. Schließlich braucht die Apotheke den Kunden – und der Kunde die Apotheke. Dann doch lieber das Neue als die Treue.

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