Gericht ordnet Barrierefreiheit an

Apotheker zu Umbau gezwungen – 8000 Euro Kosten

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Berlin -

Apotheken sollen barrierefrei erreichbar sein, so sieht es die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) vor. Doch das ist in der Praxis nicht immer so einfach. Und manchmal kommt es zwischen Inhaber und Aufsichtsbehörde zum Streit darüber, welche Maßnahmen notwendig sind. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat jetzt entschieden, dass das Angleichen des Bordsteins für 8000 Euro einem Inhaber noch zuzumuten ist.

Eine oder mehrere Stufen vor dem Eingang erschweren den Zugang zur Apotheke für Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind. Deshalb müssen solche Barrieren spätestens bei der Betriebsübergabe entfernt werden. Lässt zum Beispiel der Denkmalschutz einem Umbau nicht zu, dürfen in Absprache mit der Aufsicht alternativ mobile Rampen oder ein Klingelsystem installiert werden.

Die Apotheke, um die es vor Gericht ging, befindet sich im Erdgeschoss eines Gebäudes, dessen rechter Teil von einem Imbiss genutzt wird. Der Eingangsbereich des Hauses tritt hinter die Hausfront zurück, zwischen den beiden Ladenlokalen entsteht dadurch ein Podest. Dieses liegt etwa 5 cm höher als der Gehweg.

Bei einer Revision der Apotheke am 3. September 2014 wurde der Inhaber darauf hingewiesen, dass die Apotheke nicht den Anforderungen an den barrierefreien Zugang genügt, da sie nur über die Stufe erreichbar sei und die Tür nicht automatisch öffne. Ein Jahr später, im August 2015, forderte die Aufsichtsbehörde eine Prüfung, ob ein barrierefreier Zugang hergestellt werden könne. Der Apotheker sollte sich mit dem Amt für Verkehrsmanagement in Verbindung setzen. Das tat er auch und teilte wenige Wochen später mit, das Amt für Verkehrsmanagement halte einen Ausgleich des Höhenunterschieds für technisch möglich. Wegen der vorhandenen Kellerschächte müsse die Baumaßnahme noch mit dem Hauseigentümer abgestimmt werden.

Dann passierte mehrere Jahre gar nichts. Erst Mitte Juni 2018 führte der Amtsapotheker eine weitere Inspektion durch. Mit Schreiben vom 26. Juni 2018 übersandte er dem Inhaber einen Entwurf des Inspektionsberichts mit der Bitte um Mitteilung etwaiger Anmerkungen. In seinem Bericht stellte er wiederum fest, dass der barrierefreie Zugang nicht erfüllt sei und schrieb: „Da entsprechend der Aussage vom Amt für Verkehrsmanagement es möglich ist, einen barrierefreien Zugang einzurichten, ist dieses auch umzusetzen. Bitte unterrichten Sie mich über die weiter geplanten Maßnahmen.“

Der Apotheker erklärte, dass ein Gespräch mit seinem Verpächter im November 2015 ohne Ergebnis geblieben sei. Trotzdem wurde er in der Folge aufgefordert, die Mängel schnellstmöglich zu beheben und dies durch Vorlage geeigneter Unterlagen oder Fotos nachzuweisen. Die Frist zur Herstellung des barrierefreien Zugangs wurde bis Ende Januar 2019 gewährt.

Doch der Apotheker klagte gegen den Bescheid der Aufsichtsbehörde. Im April 2019 gab es noch einmal einen Ortstermin mit dem Ziel der gütlichen Einigung. Der Apotheker sollte sich wieder mit dem Amt für Verkehrsmanagement in Verbindung setzen in Erfahrung bringen, ob eine Angleichung des Gehwegs möglich sei. Dieser darf ein seitliches Gefälle von 4 Prozent nämlich nicht übersteigen, um eine gefahrlose Benutzung zu ermöglichen.

Eine gütliche Einigung wurde nicht erzielt, man traf sich vor dem Verwaltungsgericht. In der mündlichen Verhandlung räumte der Apotheker ein, dass der Ausgleich der Stufe durch Anhebung des Gehwegs – und eventuell des Bordsteins – baulich möglich sei. Die voraussichtlichen Kosten von 6000 Euro für die Baumaßnahmen und geschätzt 2000 Euro für eine vorherige Vermessung stünden aber außer Verhältnis zum Nutzen einer solchen Maßnahme. Er sei bereit, durch organisatorische Maßnahmen den Zugang zu erleichtern. Etwa könne er eine Funkklingel im Eingangsbereich anbringen und eine mobile Rampe vorhalten.

Aus Sicht des Apothekers ist ohnehin unklar, ob der Begriff „barrierefrei“ einen völlig stufen- und schwellenlosen Zugang erfordert oder ob der geringe Höhenunterschied noch als „barrierefrei“ bezeichnet werden könnte. Jedenfalls sei es unverhältnismäßig, ihm die Angleichung der Stufe aufzuerlegen. Das Argument, er habe ohnehin keine Kundschaft mit Rollstuhl, half ihm freilich nicht.

Seine Klage wurde vom VG Düsseldorf Ende Mai abgewiesen. „Die barrierefreie Erreichbarkeit der Offizin erfordert grundsätzlich einen von Stufen, Schwellen und anderen Hindernissen vollständig freien Zugang, damit auch Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, selbständig, ohne fremde Hilfe in die Offizin gelangen können“, heißt es in der Entscheidung.

Die Soll-Vorschrift in der ApBetrO lasse zwar Abweichungen von der grundsätzlich vorgeschriebenen Barrierefreiheit in atypischen Fällen zu, der Ermessensspielraum liege aber bei den Behörden. „Dabei kann insbesondere von Bedeutung sein, ob ein barrierefreier Zugang bautechnisch und rechtlich – vor allem in baurechtlicher und denkmalschutzrechtlicher Hinsicht – möglich ist und ob die Barrierefreiheit in wirtschaftlich zumutbarer Weise hergestellt werden kann“, heißt es im Urteil.

In diesem Fall befanden die Richter die Angleichung des Gehwegs auf das Niveau der Stufe für zumutbar. Das Vorhalten einer mobilen Rampe in Kombination mit einer Funkklingel sei die schlechtere Lösung, da der selbständige Zugang ohne Hilfe damit nicht erreicht werde. Diese Lösung kommt laut Urteil nur in Betracht, wenn bauliche Maßnahmen unmöglich oder unverhältnismäßig sind.

Auch die Kosten seien kein Argument: „Der Gesamtbetrag von rund 8000 Euro belastet den Kläger nicht unzumutbar“, stellte das Gericht fest. Selbst bei einem Jahresumsatz von 1,2 Millionen Euro betrage der Anteil der Kosten nur 0,7 Prozent. Nichts anderes ergebe sich im Verhältnis der erwarteten Kosten zur Höhe des Pachtzinses. Die beklagte Behörde hatte geschätzt, dass die Kosten der Baumaßnahme etwa der Pacht für drei bis vier Monate entsprechen. Das kann man dem Inhaber aus Sicht des Gerichts zumuten. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, der Apotheker kann noch in Berufung gehen

 

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