Kritik an Spahn wächst

Wo bleibt der Impfstoff? dpa, 02.01.2021 10:07 Uhr

Impfzentren warten auf Impfstoff: Die Kritik an Gesundheitsminister Jens Spahn wächst. Foto: BioNTech
Berlin - 

Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci zeigt sich empört über die anhaltende Unklarheit im Hinblick auf weitere Lieferungen von Corona-Impfstoff. „Ich erwarte jetzt von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn Aufklärung und endlich eine verlässlich und belastbare Auflistung des Impfstoffes, der da kommen soll“, sagte die SPD-Politikerin am Freitag der Deutschen
Presse-Agentur.

„Wir wissen ja noch nicht einmal, ob die jetzt für den 8. Januar angekündigte Lieferung zusätzlich oder nur vorgezogen ist“, so Kalayci. „Und jetzt weiß die Firma Biontech offenbar auch nicht, was sie leisten, was sie liefern kann. So können wir die Priorisierung, die der Bund uns vorgegeben hat, nicht umsetzen.“

Anlass für Kalaycis Kritik sind Äußerungen von Biontech-Chef Ugur Sahin, der aktuell versucht, neue Kooperationspartner zu gewinnen, die für sein Unternehmen Impfstoff produzieren. „Aber es ist ja nicht so, als stünden überall in der Welt spezialisierte Fabriken ungenutzt herum, die von heute auf morgen Impfstoff in der nötigen Qualität herstellen könnten“, sagte er dem „Spiegel“. Ende Januar werde man wissen, ob und wie viel mehr produziert werden könne.

Der Mainzer Hersteller will mehr Impfstoff als geplant an die EU liefern. Man befinde sich „in fortgeschrittenen Diskussionen, ob und wie wir weitere Impfstoffdosen aus Europa für Europa in diesem Jahr zur Verfügung stellen können“, teilte Sahin mit. Hintergrund sind Klagen über die Knappheit von Impfstoff in Deutschland und anderen EU-Staaten.

Bisher hat nur der Biontech-Impfstoff eine europäische Zulassung. Die EU-Kommission hatte für alle 27 Staaten gemeinsam einen Rahmenvertrag über bis zu 300 Millionen Impfstoffdosen des Herstellers abgeschlossen – eine feste Bestellung von 200 Millionen Dosen und eine Option auf 100 Millionen weitere, die mittlerweile auch gezogen wurde. Auch bei fünf weiteren Firmen mit aussichtsreichen Impfstoffkandidaten wurde bestellt, insgesamt zwei Milliarden Dosen für die rund 450 Millionen EU-Bürger.

Dazu sagte Sahin im „Spiegel“: „Es gab die Annahme, dass noch viele andere Firmen mit Impfstoffen kommen. Offenbar herrschte der Eindruck: Wir kriegen genug, es wird alles nicht so schlimm, und wir haben das unter Kontrolle. Mich hat das gewundert.“ Gegenüber dpa stellte er klar: „Die Strategie der EU, sich verschiedene Impfstoffe zu sichern, ist nachvollziehbar und sinnvoll. Unser gemeinsames Interesse ist, Menschen, die es wünschen, mit Impfstoffen zu versorgen.“

Der Impfstoff von Biontech und Pfizer wurde kurz vor Weihnachten in der EU zugelassen und wird seit einigen Tagen verabreicht. Allerdings gab es zuletzt ein Hin und Her, wie viele Dosen Deutschland und damit die Bundesländer in nächster Zeit erhalten. Am Mittwoch hatte das Bundesgesundheitsministerium erklärt, mit dem Hersteller Biontech habe vereinbart werden können, dass die nächste Lieferung am 8. Januar erfolgen werde.

Berlin hat bisher nach früheren Angaben der Gesundheitsverwaltung etwa 60.000 Impfdosen erhalten. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) wurden davon bis zum 31. Dezember gut 9000 verabreicht. Die CDU führte das auf schlechtes Impfmanagement zurück. Geimpft wurden zunächst Menschen in Pflegeheimen, Pflegerinnen und Pfleger sowie Beschäftigte in Krankenhäusern.

Deutschlandsweit wurden laut RKI insgesamt 165.575 Menschen gegen das Coronavirus geimpft. Unter den Geimpften sind 71.590 Bewohner von Pflegeheimen. 77.253 Personen erhielten die Impfung aus beruflichen Gründen. Darunter fällt medizinisches Personal mit sehr hohem Ansteckungsrisiko sowie Personal in der Altenpflege. Insgesamt 39.214 Menschen wurden wegen ihres hohen Alters über 80 Jahre geimpft.

Die meisten Impfungen wurden bisher in Bayern erfasst (37.955), gefolgt von 24.924 in Nordrhein-Westfalen und 21.373 in Hessen. Die in absoluten Zahlen am wenigsten Impfungen wurden bisher in Thüringen (810), Bremen (1741) und Hamburg (2759) erfasst. Den Anteil der Geimpften an der Gesamtbevölkerung gibt das RKI zu Beginn der Impfkampagne nicht an.