Einschränkungen wegen Coronavirus

„Wir reden deutlich über mehrere Monate als über mehrere Wochen“

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Berlin -

Wie kann das Coronavirus aufgehalten werden? Die Bundesregierung und Wissenschaftler machen klar, dass das eine große Aufgabe für die ganze Gesellschaft ist – und nicht so schnell gelingen dürfte.

Im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn alle Bürger auf längere Einschränkungen im Alltagsleben vorbereitet. „Wir reden deutlich über mehrere Monate als über mehrere Wochen“, sagte der CDU-Politiker am Montag in Berlin. „Wir müssen den Ausbruch verlangsamen, damit unser Gesundheitssystem weiter funktionieren kann.“ Gleichzeitig gelte es, Unterbrechungen des normalen Alltags so gering wie möglich zu halten. Spahn wandte sich erneut gegen pauschale Schließungen von Kitas und Schulen. Das nahe Frühjahr und der Sommer mit wärmeren Temperaturen dürften die Virus-Ausbreitung aus Expertensicht kaum verlangsamen.

Spahn sagte, die Möglichkeiten des Virus müssten verringert werden, sich durch den Kontakt von Menschen untereinander zu verteilen. „Dazu brauchen wir die gesamte Gesellschaft. Wir brauchen jeden einzelnen Bürger und jede einzelne Bürgerin.“ Dafür gelte es zu prüfen, auf was eine Zeit lang zu verzichten oder schwerer zu verzichten sei. Aus seiner Sicht sei der Verzicht auf ein Konzert, einen Clubbesuch oder ein Fußballspiel leichter als auf den täglichen Weg zur Arbeit.

Der Minister appellierte an die Eigenverantwortung der Bürger, alle Möglichkeiten in Erwägung zu ziehen – etwa weniger zu reisen oder wenn möglich von zu Hause zu arbeiten. Chronisch kranke Arbeitnehmer sollten Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber treffen, die sie und ihre Kollegen schützen. Firmen sollten bereit sein, dies zu ermöglichen. In großen Städten könnten viele öfter zu Fuß gehen oder Rad fahren, statt den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen. Spahn ermunterte erneut dazu, Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern abzusagen.

Schulen und Kitas sollten dagegen nicht grundsätzlich geschlossen werden, damit Eltern weiter zur Arbeit gehen könnten, sagte Spahn. Wenn Ärzte, Pflegekräfte, Polizisten oder Busfahrer ausfielen, hätte das wiederum Folgen für das öffentliche Leben und die Sicherheit. Es gelte weiterhin, „besonnen und ernsthaft“ an die dynamische Lage heranzugehen. Ziel sei, die wertvolle Ressource von 28.000 Betten in der Intensivversorgung auch für die gleichzeitige Behandlung einer größeren Patientenzahl funktionsfähig zu halten.

Zum Eindämmen der Coronavirus-Epidemie sind aus Spahns Sicht auch Absagen von Veranstaltungen mit weniger als 1000 Teilnehmern sinnvoll – wenn das Infektionsrisiko hoch ist. „Die Zahl 1000 heißt ja nicht: Alles da drunter ist per se ok, und alles da drüber ist per se nur problematisch.“ Die genannte Größenordnung begründete er damit, dass sie ein Stückweit europäischer Standard geworden sei. „Es gab ein Bedürfnis danach, das habe ich gespürt in vielen Gesprächen, mal ein Parameter zu haben.“ Mit dieser Zahl habe er auch denjenigen den Rücken stärken wollen, die solche Entscheidungen zu treffen haben.

Das Robert Koch-Institut (RKI) fordert schnelle Vorkehrungen gegen eine starke Zunahme von Infizierten. „Das ist eine ernste Lage, und diese Lage könnte sich weiter zuspitzen“, sagte Präsident Professor Dr. Lothar Wieler. Behörden vor Ort müssten auch über den Umgang mit Großveranstaltungen und zeitweise Schließungen öffentlicher Einrichtungen entscheiden – „und zwar schon, bevor es massenhaft Fälle in einer Gegend gibt“. Auch Praxen, Kliniken oder Altenheime müssten Vorbereitungen jetzt abschließen.

Das Frühjahr und der Sommer dürften die Virus-Ausbreitung aus Sicht des Direktors des Instituts für Virologie an der Berliner Charité, Professor Dr. Christian Drosten, kaum verlangsamen. Es sei wohl damit zu rechnen, „dass wir direkt in eine Epidemiewelle hineinlaufen“. Der saisonale Effekt auf diese Viren dürfte nicht so groß sein wie auf einige andere Erkältungsviren. Drosten verwies auf entsprechende verfeinerte Modellrechnungen einer Studie aus den USA.

Deutschland habe das Virusgeschehen sehr früh erkannt und sich damit einen extremen Vorsprung in der Erkennung der Epidemie gesichert, erläuterte der Virologe. „Das hat dazu geführt, dass wir jetzt sehr hohe Fallzahlen in den Statistiken haben, ohne relevant große Zahlen von Todesfällen berichten zu müssen.“ Hintergrund sei, dass viele Labore in der Fläche sehr früh aktiv geworden seien und kein nationales Institut Tests allein für sich reklamiere. Damit hätten andere Länder einen Monat oder mehr an Zeit verloren.

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