Ärztepräsident Dr. Klaus Reinhardt

„Wir Ärzte arbeiten wie im Hamsterrad“

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Berlin -

Der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, spricht sich für ein Hausarztmodell nach dänischem Vorbild aus. Im Interview mit der Frankfurter Rundschau hat der niedergelassene Hausarzt erklärt, dass seiner Meinung nach der derzeit  „unkoordinierte Zugang der Versicherten zu unserem Gesundheitswesen“ im Mittelpunkt des Reformbedarfs steht. Eine bessere Versorgungssteuerung sei der beste Weg, da Abhilfe zu schaffen.

Dieses zentrale Problem habe Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bisher trotz seines Arbeitseifers bisher übergangen, kritisiert Reinhardt. „In allen EU-Staaten existieren Regularien, um die knappen Mittel und das medizinische Personal so sinnvoll wie möglich einzusetzen“, so der Hausarzt, der im Mai die Nachfolge von Dr. Frank Ulrich Montgomery angetreten hat. Nur in Deutschland hätten die Versicherten demnach die Möglichkeit, „ohne ärztlich verantwortete Steuerung nahezu alle erdenklichen medizinischen Leistungen zu nutzen, ohne längere Wartezeiten. Diese ungesteuerte Inanspruchnahme von Ressourcen können wir uns nicht länger leisten.“

Das Grundproblem sei dabei nicht finanzieller Natur. „Geld allein kann es nicht mehr richten“, sagt der Ärztepräsident. Es sei vielmehr der Personalmangel, der die Grundlagen der medizinischen Versorgung untergrabe. „Wir Ärzte arbeiten wie im Hamsterrad“, fasst er es zusammen. „Zeit für menschliche Zuwendung, die in einer älter werdenden Gesellschaft immer wichtiger wird, bleibt da kaum noch.“ Von Praxisgebühren und Zuzahlungen halte er allerdings wenig. Letztere würden unverhältnismäßig zulasten der finanziell Schwächeren gehen. Stattdessen plädiere er nachdrücklich für eine hausarztkoordinierte Versorgung.

Der Versicherte schreibt sich bei dem Modell für eine bestimmte Zeit bei einem Hausarzt seiner Wahl ein, der dann die Funktion eines Gatekeepers übernimmt, also immer die erste Anlaufstation für den Patienten ist. Für den Besuch eines Facharztes ist dann jedes Mal eine Überweisung dieses Arztes notwendig. Einige Fachärzte, beispielsweise Augen- oder Frauenärzte, könnten jedoch von dieser Regelung ausgenommen werden, so Reinhardt.

Die Einschränkung der Wahlfreiheit, die damit einhergehen würde, sieht Reinhardt als akzeptabel. Erstens könne der Patient seinen Hausarzt völlig frei wählen und zweitens denke er, dass „viele Patienten sogar sehr froh darüber sein werden, wenn sie von ihrem Hausarzt durch das sehr komplizierte Gesundheitssystem begleitet werden“. Wer wiederum völlige Wahlfreiheit, also auch ohne Überweisung zum Facharzt gehen will, solle dann höhere Beiträge zahlen müssen. „Denn er nimmt das solidarische System zum Beispiel durch unkoordiniertes Nebeneinanderher-Arbeiten deutlich stärker in Anspruch als ein Patient, der einen Hausarzt als primären Ansprechpartner hat“, so Reinhardt.

Ihm schwebe also ein Modell wie in Dänemark vor, wo die Versicherten wählen, ob sie sich bei einem Hausarzt einschreiben oder ob sie mehr bezahlen wollen und dafür von allein zu einem Facharzt gehen können. 99 Prozent der Dänen hätten sich für das Hausarztmodell entschieden – was auch dafür spreche, dass die Menschen die Anleitung bei der Reise durch das Gesundheitssystem zu schätzen wissen. „Für mich erscheint das auch völlig logisch“, so Reinhardt. „Ich kann gar nicht verstehen, wie man dagegen sein kann.“

Reinhardt ist seit Mai Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), er folgte auf Dr. Frank Ulrich Montgomery, der das Amt acht Jahre lang innehatte. Der 59-Jährige ist der erste niedergelassene Hausarzt an der Spitze der BÄK, seit 1993 betreibt er eine eigene Praxis in Bielefeld. Zuletzt hatte Reinhardt bereits die zunehmende Ökonomisierung des Gesundheitssystems kritisiert. Der Effizienzdruck durch Investoren gehe zulasten der medizinischen Versorgung und sei mit dem ärztlichen Ethos nicht vereinbar.

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