Bürokratieentlastungsgesetz II

Weniger Papierkram für kleine Apotheken

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Berlin -

Auch Apotheken quälen sich monatlich mit Lieferscheinen, Rechnungen, Sozialbeiträgen und der Lohnsteuerabrechnung für ihre Mitarbeiter herum. Mit dem heute im Kabinett beratenen Bürokratieentlastungsgesetz II will die Bundesregierung den Verwaltungsaufwand für kleinere Firmen reduzieren. Dazu zählen auch kleine Apotheken mit bis zu drei Mitarbeitern. Nach Angaben von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) beträgt der Entlastungseffekt insgesamt 360 Millionen Euro.

Während das bereits beschlossene Bürokratieentlastungsgesetz I vor allem Gründer und junge, schnell wachsende Unternehmen im Blick hatte, werden von den im Bürokratieentlastungsgesetz II vorgesehenen Neuregelungen vor allem kleine Unternehmen mit zwei bis drei Mitarbeitern entlastet. Abgebaut werden sollen bürokratische Vorschriften im Steuerrecht, bei der Abführung der Beiträge zur Sozialversicherung für die Mitarbeiter und bei Lieferscheinen und Rechnungen.

Gerade kleine Unternehmen seien besonders stark von Bürokratie belastet und könnten sich keine „Spezialisten“ dafür leisten. „Mehr als zwei Milliarden Euro jährlich werden die Unternehmen durch die beiden Bürokratieentlastungsgesetze und die Modernisierung des Vergaberechts einsparen. Umgerechnet sind das deutlich mehr als 20 Millionen Arbeitsstunden, die nicht mehr für Formalien aufgewendet werden müssen – und das jedes Jahr. Ich finde, das kann sich sehen lassen“, so Gabriel.

Zur Vereinfachung wird laut Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) das erleichterte Beitragsberechnungsverfahren zur Sozialversicherung ausgedehnt. Anstatt jeden Monat die vermutliche Beitragshöhe zunächst zu schätzen und dann im darauffolgenden Monat eine Korrektur vorzunehmen, können die Unternehmen künftig einfach auf den Vormonatswert abstellen. Ein ganzer Arbeitsschritt, nämlich die Schätzung, entfällt damit.

Statt einer aufwendigen Schätzung der monatlichen Beiträge können zukünftig die Sozialbeiträge auf Grundlage des tatsächlichen Wertes des Vormonats gezahlt werden. „Dieser Wert liegt zum Zeitpunkt der Beitragszahlung am drittletzten Bankarbeitstag eines Monats als Ergebnis der Entgeltabrechnung für den Vormonat immer vor“, so der Gesetzentwurf. Um die sich dadurch zwangsläufig ergebenden Abweichungen zur tatsächlichen Beitragsschuld auszugleichen, ist die mögliche Differenz jeweils von der Beitragszahlung im Folgemonat abzuziehen oder zu addieren. Das BMWi erwartet, dass sich künftig bis zu 300.000 Unternehmen zusätzlich für die vereinfachte Variante entscheiden werden.

Zur Vereinfachung im Steuerrecht ist vorgesehen, dass bei kleineren Beträgen nur noch weniger umfangreiche Angaben auf der Rechnung gemacht werden müssen. Firmen, die Vorsteuer geltend machen, sind zudem bei den vereinfachten Rechnungen von formellen Prüfpflichten befreit. Der aktuelle Schwellenwert für Kleinrechnungen hierfür liegt derzeit bei 150 Euro und wird auf 200 Euro angehoben.

Beabsichtigt ist der Vereinfachungseffekt vor allem bei der Abrechnung von kleinen, in kurzer Zeitfolge vorkommenden Barumsätzen, insbesondere im Handel mit Waren des täglichen Bedarfs, aber auch bei Leistungen, die durch Automaten abgerechnet werden. „Hier wäre die Erteilung von Rechnungen mit allen erforderlichen Pflichtangaben besonders zeitraubend und kostspielig und in der Praxis häufig auch nicht durchführbar“, heißt es im Gesetzentwurf. Das BMWi schätzt den Umfang solcher Kleinrechnungen auf mehrere Milliarden pro Jahr in Deutschland.

Entlastet werden kleinere Apotheken auch bei der Lohnsteuerabrechnung. Die Grenze, bis zu der eine vierteljährliche anstelle der üblichen monatlichen Abgabe von Lohnsteuer-Anmeldungen ausreicht, von 4000 Euro auf 5000 Euro angehoben. Das bedeutet zugleich, dass monatliche Lohnsteuer-Anmeldungen zukünftig erst bei mehr als 5000 Euro Lohnkosten abgegeben werden müssen.

„Die Anhebung der Grenze für die vierteljährliche Abgabe von Lohnsteuer-Anmeldungen von 4000 Euro auf 5000 Euro entlastet insbesondere Arbeitgeber mit ein oder zwei beschäftigten Arbeitnehmern“, so der Gesetzentwurf. In diesen Fällen sind künftig anstelle der zwölf monatlichen Lohnsteuer-Anmeldungen nur noch vier vierteljährliche Lohnsteuer-Anmeldungen an das Finanzamt zu übermitteln.

Künftig müssen zudem viele Lieferscheine nicht mehr aufgehoben werden. Wenn der Warenfluss durch entsprechende Rechnungen eingangs- beziehungsweise ausgangsseitig dokumentiert ist, entfällt künftig die Pflicht zur Aufbewahrung. Lieferscheine müssen heute entweder sechs oder zehn Jahre aufbewahrt werden. Sie sind auch dann aufzubewahren, wenn sich die Angaben aus den Rechnungen ergeben.

Laut BMWi zählen Aufbewahrungspflichten zu den größten Bürokratie-Kostentreibern in Deutschland. „Durch den Wegfall der Aufbewahrung/Archivierung werden Zeitaufwand und damit Personalkosten eingespart. Soweit künftig Lieferscheine steuerlich nicht mehr aufzubewahren sind, werden Sachkosten eingespart, da für diese Unterlagen keine Mietkosten mehr aufgewendet werden müssen“, heißt es im Gesetzentwurf.

Die verkürzte Aufbewahrungspflicht soll für alle Lieferscheine gelten, deren Aufbewahrungspflicht nach der bisher geltenden Vorschrift noch nicht abgelaufen ist. Das bedeutet, dass entsprechende Lieferscheine nach in Kraft treten des Gesetzes „ausgemistet“ werden können.

Das Bürokratieentlastungsgesetz II wird den Verwaltungsaufwand in den Unternehmen nach Angaben des BMWi insgesamt rund 360 Millionen Euro pro Jahr verringern. Das entspreche etwa zehn Millionen Arbeitsstunden jährlich. Durch die bereits getroffenen Maßnahmen habe sich der „Bürokratiekostenindex“ des Statistischen Bundesamts bereits von knapp über 100 auf 98,9 Punkte reduziert. Ein Punkt stehe für 400 Millionen Euro Bürokratiekosten, so das BMWi. Nach dem heutigen Kabinettbeschluss sollen die wichtigsten Änderungen zu Beginn 2017 in Kraft treten.

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