Sachverständigenrat

Gröhe: Boni für Ärzte, kein Wort zu Apotheken

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Berlin -

Das Gutachten des Sachverständigenrates im Gesundheitswesen hatte Ende Mai für viel Aufruhr gesorgt: Als Perspektive für die Versorgung in ländlichen Regionen hatten die Experten unter anderem die Aufhebung der Festpreise bei Rx-Arzneimitteln, die Abschaffung des Fremd- und Mehrbesitzverbots und ein eingeschränktes Dispensierrecht für Ärzte gefordert. Heute diskutierte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) mit den Verfassern des Gutachtens.

Bei der Diskussion des Gutachtens betonte Gröhe, es sei eine der zentralen Aufgaben der Gesundheitspolitik, die bedarfsgerechte und hochwertige Versorgung unabhängig vom Wohnort sicherzustellen. „Gerade in strukturschwachen Regionen bedarf es besonderer Anstrengungen, um eine gut erreichbare medizinische Versorgung auch künftig aufrecht zu erhalten.“ Das Ziel ist demnach eine gleichmäßigere Verteilung der Ärzte: Die drohende Unterversorgung auf dem Land solle verhindert und die Überversorgung in Ballungsgebieten abgebaut werden.

Perspektiven sieht der Minister in dem sektorübergreifendem Zusammenwirken der Berufsgruppen und dem technischen Fortschritt. Mit dem Innovationsfonds, der noch im Herbst im Versorgungsstärkungsgesetz verankert werden soll, sollen sektorübergreifende Modelle gefördert werden, die dann auch schnell in die Regelversorgung überführt werden sollen.

Der Telematik steht die Pharmakologin Professor Dr. Petra Thürmann skeptisch gegenüber, zumindest bei der Versorgung von Chronikern. Es gebe keinen Nachweis, dass durch die Technologie die Sterblichkeit gesenkt werde. Sie betonte, Telematik-Anwendungen müssten wie Arzneimittel evidenzbasiert sein – und dann sollten diese Leistungen auch vergütet werden.

Gröhe betonte, die Telematik sei ein wichtiger Baustein. „Niemand will den Hausarzt ersetzen“, stellte der Minister klar. Dennoch sollten sinnvolle Anwendungen gefördert werden, sagte Gröhe mit Blick auf die elektronische Gesundheitskarte (eGK). Einen Notfalldatensatz auf dieser Karte beispielsweise würden viele Menschen für sinnvoll erachten. Ein zweites Projekt sei der Medikationsplan, der sicher erst einmal in Papierform komme, aber schnell in eine elektronische Form überführt werden solle.

Aber auch in Regionen, in denen es noch eine Überversorgung gebe, hätten viele Ärzte bereits Probleme bei der Suche nach einem Nachfolger, so Gröhe. Aus diesem Grund müsse die Ausbildung gefördert werden. Der Minister setzt dabei auf einen „Masterplan Medizinstudium 2020“, mit dem unter anderem die Allgemeinmedizin im Studium gestärkt werden soll, und eine Reform der Pflegeausbildung. Künftig soll es für Pflegekräfte eine gemeinsame Grundausbildung und später die Möglichkeit zur Spezialisierung geben.

Professor Dr. Doris Schaeffer von der Universität Bielefeld betonte, eine gute medizinische Versorgung helfe nicht viel ohne die Pflege. Bei multimorbiden Patienten setzt sie auf multiprofessionelle Lösungen, bei denen auch Pharmazeuten eingebunden werden sollen. Auf den Vorwurf, dass Pflegeschüler ihre Ausbildung zu großen Teilen selbst bezahlen müssten, erklärte Gröhe: „Das muss der Vergangenheit angehören.“ Das könnte auch für PTA-Schüler ein positives Signal sein.

Der Vorsitzende des Sachverständigenrates, Professor Dr. Ferdinand Gerlach, betonte, dass nur jeder zweite Hausarzt einen Nachfolger finde. Für die Primär- und Langzeitversorgung empfiehlt Gerlach lokale Gesundheitszentren, die entweder praxisgestützt oder stationär gestützt sein sollten. Um den Zugang zu diesen Zentren, etwa regionalen Arztnetzen oder Gesundheitsnetzen, zu verbessern, schlägt Gerlach mobile Dienste oder Praxen, Bürgerbusse sowie Hol- und Bringdienste und Telemedizin vor. Für Ältere und chronisch Kranke könnten dann ländliche Quartierskonzepte, häusliche Versorgung oder Case Management angeboten werden.

Der Idee steht Gröhe aufgeschlossen gegenüber: Er betonte, dass die Vorgabe, dass in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) verschiedene Arztgruppen angesiedelt sein müssen, aufgehoben und das Hausärzte-MVZ zugelassen werden sollten. Wo das nicht aus der Ärzteschaft heraus entstehe, könnten auch Kommunen als Träger einspringen.

Auch die Versorgung mit Arznei- und Hilfsmitteln seien wichtige Themen, die auch auf europäischer Ebene angegangen werden sollten, so Gröhe mit Blick auf Antibiotikaresistenzen und den richtigen – in den meisten Fällen sparsamen – Umgang mit Arzneimitteln. Aber es müsse auch ein schneller Zugang zu innovativen Arzneimitteln ermöglicht werden. Dabei müsse man eine Balance finden.

Es müssten stärkere Anreize für die Tätigkeit in ländlichen Regionen geschaffen und entschlossenere Maßnahmen zum Abbau von Überversorgung ergriffen werden, betonte Gerlach. Der Sachverständigenrat hatte unter anderem einen Vergütungszuschlag für Landärzte, den obligatorischen Aufkauf von freiwerdenden Arztsitzen in Regionen mit Überversorgung und Maßnahmen für mehr Hausärzte empfohlen.

Vorgeschlagen hatte die Experten unter anderem ein sechswöchiges Vorpraktikum für Medizinstudenten, ein obligatorisches PJ-Quartal bei einem Allgemeinmediziner, regionale Verbünde für die Weiterbildung zum Facharzt Allgemeinmedizin. Außerdem müsse die Attraktivität des Berufs gesteigert werden.

Die Vorschläge zu Apotheken waren nicht auf Gegenliebe gestoßen – weder bei der ABDA noch im Bundesgesundheitsministerium: Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz (CDU) hatte in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen betont, dass keine Veranlassung bestehe, die bewährten Strukturen in Frage zu stellen. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt hatte kritisiert, dass die Sachverständigen die besondere Rolle der Apotheken verkannt hätten.

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