Bundesverwaltungsgericht

Urteil: Prostata-Kapseln sind kein Arzneimittel

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Berlin -

Wieder hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) einem pflanzlichen Produkt jegliche Arzneimitteleigenschaft abgesprochen – und wieder war der österreichische Hersteller Gall Pharma involviert. Erst vor zwei Jahren hatten die Richter im Zusammenhang mit Ginkgo entschieden, dass Einstufung als Arzneimittel nur gerechtfertigt ist, wenn dies zum Schutz der menschlichen Gesundheit tatsächlich erforderlich ist.

Im konkreten Fall ging es um die saarländische Firma Bios Naturprodukte, die ihr Sortiment über einen eigenen Webshop vertreibt. Das Unternehmen gehört zu Hecht Pharma und damit der Familie um Dieter Gall, Apotheker und Gründer des österreichischen Herstellers Gall Pharma. Rechtlich tritt Bios laut BVerwG als Parallelanbieter auf vertreibt verschiedene in Österreich hergestellte Medizin- und Naturprodukte in Deutschland.

Gestritten wurde über die Präparate „Prostata Kapseln“ und „Prostata Plus Kapseln“, die als diätetische Lebensmittel zum Diätmanagement „bei Blasenentleerungsstörungen und Harnwegsinfekten“ vertrieben werden. Einhalten sind pro Prostata-Kapsel Ackerschachtelhalmextrakt 100 mg, Sägepalmenextrakt 90 mg, Weidenröschenpulver 80 mg, Birkenblätterextrakt 15 mg sowie Vitamin C 20 mg und Vitamin E 3,4 mg. Die Plus-Kapseln enthielten Weidenröschenkraut, Sägepalmenfrüchteextrakt, Lycopin sowie die Vitamine C und E.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) stufte beide Erzeugnisse 2008 als zulassungspflichtige Arzneimittel ein. Die als Inhaltsstoffe verwendeten Pflanzen würden als traditionelle Arzneipflanzen verwendet und seien Bestandteil verschiedener zugelassener Arzneimittel. Für sie habe sich daher eine gefestigte Verkehrsauffassung als Arzneimittel gebildet. An diesen medizinisch-therapeutischen Zusammenhang zur Verwendung bei Prostataleiden knüpfe auch der Produktname an. Der von Bios in Anspruch genommene Ausschlussgrund für diätetische Lebensmittel liege nicht vor, weil keine der im Produkt enthaltenen Pflanzen üblicher Bestandteil der Ernährung sei und die Einnahme auch keinem Ernährungszweck diene.

Der Widerspruch gegen den Bescheid aus dem Jahr 2012 wurde 2014 abgewiesen, auch die Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln (VG) blieb zunächst erfolglos. Doch das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG) hob die Feststellungsbescheide auf: Da die bilanzierte Diät einen Krankheitsbezug aufweise, dürfe auch das zum Diätmanagement bestimmte Lebensmittel mit Bezug auf eine bestimmte Krankheit ausgelobt werden. Die besonderen Pflichtangaben der Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke seien daher grundsätzlich nicht geeignet, die Präsentationsarzneimitteleigenschaft eines Produkts zu begründen.

Laut OVG gilt dies, obwohl das strittige Produkt die Voraussetzungen für die Annahme eines Lebensmittels für die bilanzierte Diät aller Voraussicht nach nicht erfülle. Die unzutreffende Einordnung als diätetisches Lebensmittel bewirke keine Einstufung als Präsentationsarzneimittel. Schutz vor derartigen Falschdeklarationen sei vielmehr mit den Mitteln des Lebensmittelrechts zu erzielen. Das BVerwG wies die Revision gegen die Entscheidung am Freitag zurück, die Urteilsgründe liegen noch nicht vor.

Firmenchef Gall ist zufrieden: Das Durchhaltevermögen habe sich ausgezahlt, das BfArM sei mit seiner „kühnen Vorgehensweise“ eingebremst worden. „Es kann doch nicht sein, dass man sich exakt an die Kennzeichnungsvorschriften für diätetische Lebensmittel hält und das Produkt genau deswegen als Arzneimittel eingestuft wird.“ Das Produkt selbst sei auch gar nicht zu beanstanden, da die Zutaten sogar vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) explizit dem Lebensmittelbereich zugeordnet wurden. Gall verweist auf den Erfolg seines Unternehmens bei Melatonin vor dem Kammergericht Berlin; im Fall Ginkgo geht es Ende September in Lüneburg weiter.

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