Bundeskanzler

Merkel-Kronprinzen: Schäuble empfiehlt Spahn Lothar Klein, 16.01.2017 07:50 Uhr

Berlin - 

Wenig überraschend zieht die Union wieder mit Angela Merkel als Kanzlerkandidatin in den Wahlkampf 2017. Schließlich liegen ihre Sympathiewerte über den Umfragewerten für die Union. Der Kanzlerbonus könnte also auf CDU und CSU abfärben. Aber was kommt nach Merkel? Welche Unions-Politiker haben das Zeug zum Kanzler? Nach Ansicht von CDU-Senior Wolfgang Schäuble käme für das Spitzenamt auch Jens Spahn in Frage. „Wir brauchen solche Leute.“ Und auch Hermann Gröhe macht seine Sache als Gesundheitsminister nach Schäubles Urteil „ziemlich gut“.

Schäuble weiß aus eigener Erfahrung ganz genau wie es ist, lange Jahre auf höhere politische Aufgaben zu warten. Schäuble war Fraktionsvorsitzender, Kanzleramtsminister, Innenminister und galt in all diesen Funktionen als Kronprinz von Bundeskanzler Helmut Kohl. Am Ende seiner vierten Amtszeit schickten die Wähler Kohl in den Ruhestand, Schäuble war die eigene Kanzlerschaft verwehrt. Weil jetzt Merkel für ihre vierte Kanzlerschaft antritt, äußerte sich Schäuble im Politik-Magazin „The European“ über die Nachwuchspolitiker in der Union.

„Im Schatten eines großen Baumes ist der Rasen oft nicht so stark entwickelt“, umschreibt der bald 75-jährige CDU-Mann seine Erfahrungen mit der Macht. Trotzdem habe die CDU „sehr tüchtige“ Kandidaten im Kabinett für höhere Aufgaben. Dazu gehört für Schäuble Innenminister Thomas de Maizière. Der habe „völlig unumstritten ein hohes Maß an Kompetenz“. Und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen genieße ebenfalls „großes Ansehen“. Gesundheitsminister Hermann Gröhe mache „sein Gesundheitsressort ziemlich gut“.

Auch bei der jüngeren CDU-Garde seien „Personalreserven“ vorhanden, ist Schäuble überzeugt. Der zeitweilige CDU-Jungstar David McAllister habe das Pech gehabt, den Wahlsieg in Niedersachsen um ein paar Stimmen zu verfehlen. „Sonst wäre der schon eine der bedeutenden Persönlichkeiten im deutschen Politikbetrieb, ganz sicher“, so Schäuble. Jetzt wartet McAllister im EU-Parlament auf seine Chance.

Beim baden-württembergischen CDU-Landsmann Thomas Strobl ist Schäuble befangen, „weil er der Ehemann meiner Tochter ist“. Aber der werde seinen Weg schon machen. Verloren für die CDU trotz großer Erwartungen hat letztes Jahr auch Julia Klöckner in Rheinland-Pfalz. Mit einem Sieg wäre sie „automatisch eine der Spitzenpersönlichkeiten“, findet Schäuble. Ist sie aber auch so: Immerhin holte sie beim CDU-Parteitag als Merkel-Stellvertreterin das beste Ergebnis.

Spahn gehört für Schäuble „ganz unbestritten zur erweiterten Führungsspitze der Union“. Der frühere Gesundheitspolitiker und jetzige Staatssekretär im Bundesfinanzministerium habe sich mit Mut in einer Kampfkandidatur gegen Gröhe im Präsidium durchgesetzt. „Das gefällt mir immer. Wir brauchen solche Leute. Wenn wir davon ein paar mehr haben, umso besser“, hebt der CDU-Senior seinen Schützling hervor. Bekannt ist, dass Schäuble Spahn bei seiner Kandidatur vor zwei Jahren unterstützt hat.

Überhaupt: Auch auf dem letzten CDU-Parteitag Anfang Dezember hat Spahn auf sich aufmerksam gemacht. Gegen den erklärten Willen Merkels führte Spahn dort einen Beschluss zur Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft herbei und brockte der Kanzlerin so eine schmerzhafte Niederlage ein.

Obwohl die Delegierten um die Symbolik der Entscheidung wussten, schlossen sie sich Spahn und nicht Merkel an. So etwas ist unter Merkels Regiment nicht vielen in CDU gelungen. Der Doppelpass-Entscheid steht nun sinnbildlich für den Graben zwischen Merkel und ihrer eigenen Partei zumindest in der Flüchtlingspolitik.

Spahn hat Merkel herausgefordert und obsiegt. Das lässt aufhorchen. So etwas merkt man sich im politischen Geschäft. Damit ist Spahn jetzt der neuer Star des konservativen CDU-Flügels. Der Posten war vakant und ist karriereträchtig. Und an Spahns politischem Ehrgeiz besteht kein Zweifel. Der britische „Guardian“ bezeichnete ihn neulich bereits als „Kanzler in Wartestellung“. Das solche Träume platzen können, weiß aber vor allem Schäuble nur zu genau.

Abwarten, Geduld und politisches Geschick sind jetzt vonnöten: Günter Bannas, Politikchef der FAZ in Berlin und einer der erfahrensten Beobachter und Kommentatoren deutscher Politik, resümierte nach dem CDU-Parteitag: „Der Prozess der Emanzipation der Partei von ihrer Vorsitzenden hat begonnen. Es waren nicht die alten Recken von ganz früher, die die Debatten über Merkels Pragmatismus vom Zaun gebrochen haben. Vielmehr sind es die jungen Leute […] – an ihrer Spitze steht Jens Spahn.”