Kosten für neue Arzneimittel steigen extrem

TK-Innovationsreport: Glaeskes Ampel steht auf Rot

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Berlin -

Die Kosten für neu auf den Markt gekommene Arzneimittel sind stark gestiegen. Das ist ein Ergebnis des diesjährigen Innovationsreports, den die Techniker Krankenkasse (TK) gemeinsam mit der Universität Bremen veröffentlicht hat. So stieg der durchschnittliche Packungspreis dieser Medikamente um fast 140 Prozent von rund 1300 Euro auf rund 3100 Euro.

Der Report bewertet 31 neue Arzneimittel des Jahres 2017 in Form eines Ampelschemas. Für die Bewertung entscheidend sind der therapeutische Nutzen für die Patienten, die Verfügbarkeit von Therapiealternativen und die Angemessenheit der Kosten. Der Report zeigt laut TK: Es gibt zwar einige echte Innovationen unter den neuen Medikamenten – immerhin acht bekamen eine „grüne Ampel“ – insgesamt gesehen sei der Innovationsgrad jedoch mäßig. Die Wissenschaftler vergaben 16 „rote Ampeln“, damit weist mehr als die Hälfte der bewerteten Medikamente insgesamt keinen zusätzlichen therapeutischen Nutzen auf, darunter zum Beispiel zwei Präparate zur Behandlung von Hepatitis-C.

Der extreme Preisanstieg ist laut TK auf einige besonders teure Medikamente zurückzuführen. Sechs der Arzneimittel kosten jeweils mehr als 10.000 Euro pro Packung. Mit Spinraza (Wirkstoff: Nusinersen) zur Behandlung der Spinalen Muskelatrophie (SMA) bei Kindern ist im mittlerweile achten Innovationsreport erstmals ein Präparat mit einem sechsstelligen Packungspreis dabei.

„Es ist überhaupt keine Frage, dass innovative Arzneimittel wichtig sind und dass diese auch ihren Preis haben dürfen. Fortschritt kann jedoch nicht die Rechtfertigung sein, Preise unendlich in die Höhe zu treiben“, so Dr. Jens Baas, Vorsitzender des Vorstands der TK. „Fortschritt gehört zu unserem Leben – ob bei Smartphones oder im Bereich der Mobilität. Bei Arzneimitteln reguliert sich der Markt jedoch nicht selbst. Die Preisspirale dreht sich immer schneller. Deshalb brauchen wir dringend objektivierbare Kriterien, um faire Preis bestimmen zu können, zum Beispiel in Bezug auf den medizinischen Bedarf, Forschungsinvestitionen oder die Versorgungssicherheit, damit Arzneimittel für die Allgemeinheit bezahlbar bleiben.“

Ein Beispiel für so eine Einmaltherapie ist laut TK die neue Gentherapie Zolgensma zur Behandlung von SMA, die in den vergangenen Monaten als teuerstes Medikament der Welt Schlagzeilen machte. „Medikamente wie Zolgensma sind natürlich mit vielen Hoffnungen verbunden, völlig zu Recht bei einer so schweren Krankheit. Aber es gibt auch sehr viele Fragen", sagt Professor Dr. Gerd Glaeske von der Universität Bremen, Herausgeber des Reports. „Anhand der Daten, die Unternehmen veröffentlichen, ist nicht nachzuvollziehen, wie sechsstellige oder nun sogar Millionenbeträge für einzelne Medikamente zustande kommen – Transparenz ist in diesem Bereich längst überfällig. Zudem brauchen wir dringend neue Preismodelle und mehr begleitende Versorgungsforschung, um den Wert einer Therapie zu erkennen und nach den Gesichtspunkten Patientennutzen und Wirtschaftlichkeit bewerten zu können.“

Ein weiteres Beispiel aus dem Innovationsreport: Der Wirkstoff Cladribin wird bereits seit Ende der 1990er zur Behandlung der Haarzell-Leukämie eingesetzt. Gut 20 Jahre später wurde er in anderer Darreichungsform zur Therapie der Multiplen Sklerose (MS) zugelassen – die Kosten berechnete der Hersteller nicht an dem bisherigen Preis, sondern daran, was moderne MS-Therapeutika über vier Jahre hinweg – das ist die angenommene Wirksamkeitsdauer von Cladribin – erzeugen. So wurde der Preis pro Milligramm Cladribin vervierfacht. Baas: „Hier müssen sich Hersteller die Frage gefallen lassen, warum die Versichertengemeinschaft viermal so viel oder in anderen Fällen auch zehn- oder 40-mal so viel für exakt das gleiche Medikament bezahlen soll. Das ist nicht zu rechtfertigen.“

Wie in den Vorjahren werden die meisten neuen Arzneimittel zur Behandlung von Krebserkrankungen eingesetzt. Während drei Präparate zur Behandlung von Leukämie und eines gegen Lungenkrebs eine „grüne Ampel“ bekamen, weisen sechs einen geringen oder keinen Zusatznutzen auf. „Wir brauchen auch hier natürlich Innovationen. Wir sehen in den Ergebnissen aber auch: Das, was möglich ist, ist längst nicht immer nützlich für die Patienten“, sagt Glaeske. „Hier sind vielmehr auch ökonomische Interessen vieler pharmazeutischer Unternehmer erkennbar. Wir weisen schon lange darauf hin, wie dringend wir neue Antibiotika brauchen - aber in Anbetracht der zu erwartenden geringen Rendite tut sich bei den großen Unternehmen nichts.“

 

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