BMG-Datenaffäre

Streit um Zeugen, Sprecher und Beobachter Alexander Müller, 12.01.2018 09:52 Uhr

Berlin - 

Im Prozess um den vermeintlichen Datenskandal im Bundesgesundheitsministerium (BMG) ging es zu Beginn des zweiten Termins vor dem Landgericht Berlin zunächst um die Rolle des Ministeriums. Diskutiert wurde, warum das BMG unbedingt selbst einen Prozessbeobachter im Gerichtssaal haben möchte.

Nach dem Prozessauftakt vergangene Woche hatte ein Jurist aus dem Ministerium bei den Richtern vorgesprochen und angekündigt, dass er als Vertreter seines Hauses der gesamten Verhandlung beiwohnen werde. Das Gericht war darüber nicht sehr glücklich. Schließlich sollen im Verfahren mehrere Zeugen aus dem BMG vernommen werden. Und die sollen eben unvoreingenommen in den Gerichtssaal gehen. Ein Vertreter des BMG wecke aber den Argwohn, die als Zeugen geladenen Mitarbeiter könnten über den bisherigen Verlauf des Verfahrens informiert werden.

Auf diese Bedenken rief der Leiter des Justiziariats, Dr. Bernhard Osterheld, mehrfach bei Gericht an und erklärte, das Ministerium wolle nur mögliche Konsequenzen für die Zukunft prüfen können. Natürlich werde kein potenzieller Zeuge geschickt, die Zeugenliste ist im BMG bekannt. Später teilte Osterheld mit, der Prozessbeobachter werde ein Mitarbeiter des Robert-Koch-Instituts (RKI) sein, das dem BMG unterstellt ist. Dieser solle nicht regelmäßig Bericht erstatten, sondern nur das, was absolute Leitungsrelevanz habe.

Jetzt hat das BMG erklärt, nun doch keinen Vertreter zum Prozess zu schicken. RKI-Präsident Professor Dr. Lothar H. Wieler habe Bedenken angemeldet, hieß es. Die Verteidigung hakte außerdem nach, warum Osterheld überhaupt mit dem Richter telefoniere, wo er doch ebenfalls als Zeuge in Frage komme. Tatsächlich hat bislang nur die Anklage ihre Zeugen benannt; die Verteidigung kann noch erklären, wen sie im Prozess hören möchte.

Das Verfahren gegen Christoph H., ehemaliger IT-Mitarbeiter des BMG, sowie Thomas Bellartz, heute Herausgeber von APOTHEKE ADHOC, sollte eigentlich schon am 4. Januar beginnen. Doch noch vor Verlesung der Anklage hatte die Verteidigung die Besetzung des Gerichts gerügt. Moniert wurden eine doppelte Verschiebung der Sache zwischen verschiedenen Kammern des Landgerichts sowie die Besetzung der Ergänzungsschöffen. Eine von ihnen arbeitet bei der Kassenärztlichen Vereinigung, und die sei vom BMG abhängig.

Bellartz’ Anwalt Professor Dr. Carsten Wegner von der Kanzlei Krause und Kollegen hatte zudem einen Auftritt des Staatsanwalts moniert. Der hatte nach dem in der vergangenen Woche vorerst geplatzten Prozessauftakt vor dem Sitzungssaal der Presse öffentlich Rede und Antwort gestanden. Staatsanwalt Roland Hennicke hat aus Sicht der Verteidigung dabei zu konkret über Vorwürfe der Anklage und Details aus den Ermittlungen gesprochen. Das sei vor Verlesung der Anklageschrift unzulässig, ja sogar strafbar.

Wegner hat daher beantragt, Hennicke als Vertreter der Staatsanwaltschaft abzuziehen und überdies Strafantrag und Strafanzeige gestellt. Er meint, eindeutige Anzeichen dafür zu haben, dass – unabhängig von den Aussagen des Staatsanwalts – die komplette Anklage an Pressevertreter weitergegeben worden ist, und will Hennicke sowie Gerichtssprecherin Lisa Jani als Zeugen laden lassen.

Im Prozess sind bislang 17 Verhandlungstage angesetzt, 27 Zeugen sind geladen. Der 44-jährige ehemalige Mitarbeiter eines externen IT-Dienstleisters des BMG soll laut den Ermittlungen von 2009 bis 2012 Postfächer mit E-Mails ausgespäht und die Daten an Bellartz weiterverkauft haben. Dafür soll er laut Staatsanwaltschaft insgesamt 26.550 Euro erhalten haben.