Sterilrezepturen

Kein Schikane-Schutz für Apotheker

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Berlin -

Für viele Zyto-Apotheker ist die Welt in den vergangenen Monaten aus den Fugen geraten. Soll man bei den Ausschreibungen der Kassen mitbieten? Wie soll man kalkulieren? Wo beginnt der rechtliche Graubereich, etwa was Haltbarkeiten und Lieferzeiten angeht? Wie begegnet man Ärzten, die ihren neuen Lieferanten skeptisch sehen? Alles kein Problem, befand die Vergabekammer des Bundes: Das würden Arzt und Apotheker schon untereinander regeln.

Im konkreten Fall hatte ein Apotheker die Ausschreibung von DAK und GWQ angegriffen. Er sah sich außerstande, sein Gebot gründlich zu kalkulieren. Denn laut Ausschreibung müssen die Bieter sich über die Liefermodalitäten mit dem verordnenden Arzt abstimmen.

Da die Praxis keine Konsequenzen befürchten müsse und der Apotheker aufgrund der drohenden Vertragsstrafe in einer schlechteren Position sei, könnten durchaus vermehrt Aufträge „zur Unzeit“ abgerufen werden, so das Argument. Dies sei entweder durch qualitative Vorgaben oder Aufschläge zu berücksichtigen. Er rügte daher die „unklare Definition des Dienstleistungsanteils in Bezug auf den Beratungsbedarf“ und daraus abgeleitet die „Unzulässigkeit des Preises als alleiniges Zuschlagskriterium“.

Dem folgte die Vergabekammer nicht: Der Auftrag sei dadurch gekennzeichnet, dass letztlich von den Kassen Rabatte für die Gewährung der Exklusivität zugunsten des Zuschlagsgewinners eingekauft würden. „Die Kassen fungieren folglich als reine ‚Zahlstellen‘ für den zu befriedigenden Bedarf ihrer Versicherten und haben daher keinerlei Interesse daran, in die (etablierten) Lieferbeziehungen der Leistungserbringer untereinander einzugreifen.“

Liefermodalitäten im Vorfeld festzulegen, sei nicht gewollt, da dies die Wirtschaftlichkeit des Auftrags nicht berühre. Darüber hinaus sei es Kassen aufgrund der Therapiefreiheit der Ärzte auch gar nicht möglich, im Vorfeld zu entscheiden, wann und wie eine Belieferung zu erfolgen habe. Unklar sei auch, wie dies bei der Zuschlagsentscheidung berücksichtigt werden könne. Also bliebe nur der Preis.

Das vom Apotheker skizzierte Szenario sei ohnehin nicht nachvollziehbar. Einerseits sei eine Erreichbarkeit nur von Montag bis Freitag zwischen 8 und 18 Uhr vorgesehen. „Nächtliche Lieferungen oder einzukalkulierende Einsätze an Sonn- und Feiertagen sind daher ausgeschlossen.“

Generell sei aber unplausibel, weshalb Ärzte aufgrund ihrer Kenntnis um die den Apotheken drohenden Vertragsstrafen besonders häufig Bestellungen vornehmen sollten, um die Kosten der Apotheken nach oben zu treiben: Da auch den Praxen an einer ordnungsgemäßen Auftragsabwicklung im Sinne ihrer Patienten gelegen sei, müssten die Kassen „nicht von einem treuewidrigen Verhalten der Ärzte ausgehen und dieses zur Grundlage ihrer Ausschreibung machen, zumal die Ärzte sozialrechtlich verpflichtet sind, bei dem Zuschlagsempfänger zu bestellen, somit kein Interesse haben dürften, die Zusammenarbeit mit der bezuschlagten Apotheke durch schikanöses Bestellverhalten zu boykottieren.“

Außerdem hatte der Apotheker eine „Fehlleitung der Bieter durch das im Rahmenvertrag angesprochene Regel-/Ausnahmeverhältnis bei Ad-Hoc-Lieferungen“ moniert. Laut Beschluss ist eine feste Quote aber schon deswegen nicht erforderlich, weil die Apotheken im Zweifelsfall besser über das Verordnungsverhalten der Ärzte Bescheid wüssten als die Kassen. Generell sei davon auszugehen, dass eilige Lieferungen die Ausnahme und nicht die Regel seien.

Die kritisierte „Erschwerung der Vergütung durch den Ausschluss einer gesonderten Verwurfsabrechnung“ beeindruckte die Vergabekammer ebensowenig wie die Nichtberücksichtigung von Preissteigerungen seitens der Lieferanten. Solche Veränderungen fielen in den Risikobereich der Bieter; bei fundamentalen Änderungen der Marktbedingungen, die eine Erfüllung des Vertrags unmöglich machten, sei eine einvernehmliche Auflösung jederzeit möglich. Als Beispiel wurde das Inkrafttreten der Aut-idem-Liste genannt, die zu einem Ende der Rabattverträge für die betroffenen Wirkstoffe geführt hatten.

Den „Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz“ aufgrund der von den Kassen gesetzten 90-Minuten-Lieferfrist bei Ad-Hoc-Lieferungen sahen die Prüfer ebenfalls nicht: Apotheken, die nicht selbst über ein Sterillabor verfügten, hätten keine Möglichkeit, die geforderte Überprüfung der Fremdlabore innerhalb der gesetzten Frist durchzuführen, hatte der Apotheker moniert. Einerseits habe es kein einziges Angebot mit Nachunternehmer gegeben. Andererseits müsse die Beauftragung eines Subauftragnehmers ohnehin vorab durch die Kassen genehmigt werden – eine Ad-hoc-Beauftragung sei damit ausgeschlossen.

Der Nachprüfungsantrag wurde abgelehnt, doch anders als viele Kollegen, die die Entscheidung aus Bonn akzeptierten, hat der Pharmazeut bereits Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt. Der Fall wird demnächst vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) verhandelt.

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