Kassenabschlag und Herstellerrabatte

Berliner Runde: Spargesetz liegt jetzt bei Habeck

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Berlin -

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wird sein GKV-Finanzstabilisierungsgesetz voraussichtlich in der kommenden statt dieser Woche präsentieren. Aktuell liegt der Entwurf im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) von Robert Habeck (Grüne). Kritik kommt von den Herstellern und von CDU-Gesundheitsexperte Tino Sorge.

Wie SPD-Gesundheitsexpertin Martin Stamm-Fibich bei der Berliner Runde des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH) sagte, hat Lauterbach seinen Entwurf für das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) in die Abstimmung gegeben, derzeit liege er im BMWK. Auch das Bundesfinanzministerium (BMF) müsse zustimmen. Zuvor hatte BAH-Hauptgeschäftsführer Dr. Hubertus Cranz gespottet, dass es wohl Probleme mit der Hauspost im BMG gebe. Die Industrie wartet angespannt auf die Maßnahmen, die es aus dem ersten unabgestimmten Papier in den offiziellen Entwurf geschafft haben.

Aus Sicht von Stamm-Fibich ist ein Spargesetz angesichts der zu erwartenden „desaströsen Finanzsituation“ der Kassen unvermeidlich. Es wäre aus ihrer Sicht allerdings falsch, dies alleine auf den Arzneimittelbereich zu stützen. Insofern rechnet sie nicht damit, dass die geplanten Maßnahmen beim Herstellerrabatt so umgesetzt werden wie im ersten Papier. Eine Verlängerung des Preismoratoriums dürfe dagegen niemanden erschrecken. Man brauche insgesamt einen „Vierklang, um die GKV zu stabilisieren“ – im Raum stehen neben Einsparungen bei Leistungserbringern auch Steuerzuschüsse, eine Absenkung der Mehrwertsteuer und höhere Beiträge.

Kritik kam nicht nur von Cranz als Industrievertreter, sondern auch von Tino Sorge, dem gesundheitspolitischen Sprecher der Union. Er attestierte Lauterbachs Ministerium eine „handwerklich chaotische Arbeitsweise“. Bei 25 Sitzungen des Gesundheitsausschusses sei der Minister gerade einmal bei fünf Terminen anwesend gewesen – dies sei „grenzwertig“, was den Respekt gegenüber dem Parlament angehe. Gleichzeitig würden unabgestimmt Gesetze „in die Welt geblasen“.

Als Minister müsse Lauterbach über die Vorhaben seines Hauses entscheiden und auch dafür gerade stehen. Dass er dann auf Nachfrage im Ausschuss so tue, als habe er mit dem ersten inoffiziellen Entwurf zum Spargesetz nichts zu tun, sei inakzeptabel. Statt Selbstkritik zu üben und Verbesserungen zu versprechen, habe er nur angekündigt, sein Haus besser „abzudichten“. Sorge sprach von „paralleluniversellem Denken“. Ohnehin sei es verheerend, dass man in der Corona-Pandemie versprochen habe, Maßnahmen gegen Engpässe zu ergreifen und den hiesigen Pharmastandort zu stärken – und jetzt als erstes Vorhaben ein Spargesetz präsentiere.

Relativierend waren die Aussagen von Professor Dr. Josef Hecken, Unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA): Man müsse einmal realistisch einschätzen, auf welcher „Elendsskala“ man sich bewege. Er würde lieber Wirtschaftlichkeitsreserven in Kauf nehmen als die Einführung einer vierten Hürde. Zu Apothekenabschlag und Herstellerrabatt könne er nichts sagen, weil das nicht seine Baustellen seien, aber die anderen im Entwurf vorgesehen Maßnahmen seien vom Zweck und durchaus auch vom Umfang her vertretbar. Allerdings fände auch er es unangemessen, wenn die Arzneimittelbranche der alleinige „Defizitdecker“ sein müsse.

Dr. Antje Haas, Leiterin der Abteilung Arznei- und Heilmittel beim GKV-Spitzenverband, findet nicht, dass die Kassen auf die Belange der Industrie gesteigerte Rücksicht nehmen müssen. Die Sicherung der Produktion sei reine Industriepolitik. Bei Tamoxifen habe man gesehen, dass weder die Produktion in Übersee noch die Rabattverträge das Problem seien: „Tamoxifen wurde in Europa produziert und war nur zur Hälfte unter Rabattvertrag und dabei zu 85 Prozent in der Mehrfachvergabe.“ Es reiche eben nicht, die Produktion nach Europa zu holen; vielmehr sorgten die Kassen über ihre Vertragsklauseln dafür, dass die Lieferung gesichert werde. Vielmehr müsse man über Verpflichtungen nachdenken, auch die Produktion zu diversifizieren. „Das ist eine extrem renditestarke Branche. Der Preis ist nicht das Problem.“

Dr. Dorothee Brakmann, Mitglied der Geschäftsleitung von Janssen und Mitglied im BAH-Vorstand, machte aus ihrer Enttäuschung über Lauterbachs Spargesetz keinen Hehl: Sie sei angetan gewesen von der Ankündigung im Koalitionsvertrag, den Pharma-Standort Deutschland zu stärken. Umso überraschter sei sie gewesen, dass man nun diametral anders agiere. Man dürfe die Lasten nicht nur auf die Schultern der Industrie verteilen.

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