Krankenkassenreform

Spahn verzichtet auf AOK-Öffnung

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Berlin -

Eigentlich wollte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit dem seinem Vorschlag für ein „Faire-Kassenwahl-Gesetz“ (GKV-FKG) auf die regionalen Ortskrankenkassen (AOK) bundesweit für alle GKV-Versicherten öffnen und der Aufsicht des Bundesversicherungsamtes (BVA) unterstellen. Dagegen liefen die Länder und das AOK-Lager Sturm. Auch die SPD war dagegen. Jetzt macht Spahn einen Rückzieher und verzichtet auf die Öffnung der AOKen. Kommende Woche will Spahn nach einem FAZ-Bericht daher jetzt ein umbenanntes „Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz“ ins Kabinett bringen.

Im überarbeiteten „Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz“ ist laut FAZ die Öffnung der AOK und auch der regionalen BKK komplett gestrichen. Dafür will Spahn an anderer Stelle für mehr Fairness im Wettbewerb der Kassen sorgen. Drei Hebel bringt er dafür in Stellung, schreibt die FAZ: den Finanzausgleich, das Insolvenzrecht, die Aufsicht.

Beim Finanzausgleich geht es um Regeln, nach denen die Beitragsgelder unter den Kassen verteilt werden. Dabei schnitten in den vergangenen Jahren die AOK systematisch besser ab als alle anderen Kassenarten. Daher soll der Finanzausgleich neu justiert werden. Regionale Über- und Unterversorgung sollen durch eine neue Regionalkomponente abgebaut werden. So könne „Marktkonzentrationen vorgebeugt werden, die sich in einigen Bundesländern abzeichnen“, zitiert die FAZ aus dem Referentenentwurf. Das ziele eindeutig auf die AOK, etwa in Sachsen und Thüringen.

Zudem sollen sehr teure Behandlungen durch einen Risikopool refinanziert, Ausgaben für Prävention besonders berücksichtigt und Manipulationsversuche besser verhindert werden. Das BVA soll als zuständige Behörde für alle Kassen ein „anlassbezogenes Prüfrecht“ für mögliche Verstöße gegen Spielregeln des Finanzausgleichs bekommen – rückwirkend ab 2013. Da das BVA sonst nur die bundesweit tätigen Kassen prüft, zielt auch das auf die AOK. Die AOK unterliegen sonst der Aufsicht der Länder.

Nicht zuletzt wäre das AOK-Lager auch durch die Neuordnung des Insolvenzrechts betroffen, so die FAZ. Bisher müssen die einzelnen Kassenarten – AOK, Ersatzkassen, Betriebs- und Innungskassen – im Schadenfall zunächst untereinander für sich einstehen, bevor die gesamte Krankenversicherung zur Finanzierung herangezogen wird.

Spahn wolle diesen Zwischenschritt jetzt abschaffen. Die Sorge vor den Folgen einer Insolvenzkaskade sei besonders im Lager der Ersatzkassen mit einigen mitgliederstarken, aber traditionell finanzschwachen Kassen groß. Diese würde die Reform entlasten, die AOK im Schadenfall dagegen belasten.

Viel Gegenwind erfährt Spahn zudem bei seinen Plänen für eine Reform des Verwaltungsrates des Spitzenverbands der Kassen. Auf eine „Entmachtung“ des Gremiums, in dem Vertreter der Versicherten und Arbeitgeber sitzen, verzichtet er zwar, nicht aber auf dessen Reform. Das Gremium soll kleiner werden, der Frauenanteil wachsen. Kassenvorständen, die Spahn gerne als Kontrolleure im Spitzenverband installiert hätte, verschafft er Einfluss durch einen neuen Lenkungskreis.

Am 25. März 2019 hatte Spahn seinen ersten Entwurf des GKV-FKG vorgestellt und die wesentlichen Ziele wie folgt definiert: Freier Zugang für Versicherte zu allen gesetzlichen Krankenkassen, Stärkung eines fairen Wettbewerbs zwischen den einzelnen Kassen und eine Neustrukturierung des Finanzausgleichs der Kassen untereinander (Morbi-RSA). Um sein Gesetz durchzubringen, hatte sich Spahn parallel zum Deutschen Apothekertag der außerordentlichen Mitgliederversammlung des GKV-Spitzenverbandes gestellt.

Nach dem Verzicht auf die Öffnung von regionalen Kassen ist Neuordnung des Morbi-RSA jetzt der zentrale Punkt der Reform. Folgendes ist vorgesehen: Abschaffung des jetzigen Morbi-RSA mit der geltenden Liste von bis zu 80 Diagnosen/Krankheiten als Grundlage für finanzielle Zuweisungen. Alle Krankheiten sollen stattdessen in Zukunft berücksichtigt werden (Vollmodell).

Als Reaktion auf die Skandale um Diagnosefälschungen soll es eine neue „Manipulationsbremse geben. Vorgesehen ist die Schaffung eines finanziellen Risikopools zur Abfederung von Hochkostenfällen, die Einführung einer Vorsorge-Pauschale in den RSA, die Erweiterung des jetzigen RSA um eine Regionalkomponente und Korrekturen der Morbiditätszuschläge unter Berücksichtigung altersbedingter Strukturrisiken. Im Morbi-RSA berücksichtigt werden sollen künftig auch Arzneimittelrabatte. Der Finanzausgleich soll regelmäßig durch den Wissenschaftlichen Beirat überprüft und gegebenenfalls weiterentwickelt werden.

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