Gegen BfArM-Suizidhilfe

Spahn: Selbsttötung ist keine Therapie

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Berlin -

Bereits im Juni hatte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aufgefordert, schwer kranken Patienten keine Medikamente für eine Selbsttötung zu genehmigen. Jetzt äußerte sich in einem Interview mit der FAZ Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) dazu und warnt, dass aus dem Recht auf Sterbehilfe die Erwartung gegenüber dem Staat entsteht, dass dieses Recht auch genutzt werde.

„Wenn es um Lebensschutz geht, bin ich gerne grundsätzlich“, sagte Spahn der FAZ: „Im Zweifel bin ich immer für das Leben, sofern es um staatliches Handeln geht.“ Aus diesem Grund habe er das BfArM aufgefordert, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom März 2017 vorerst nicht anzuwenden. Das Leipziger Gericht hatte entschieden, dass der Staat unheilbar kranken Patienten einen Anspruch auf Medikamente zur schmerzlosen Selbsttötung in Extremfällen nicht verwehren dürfe.

Voraussetzung sei, dass der schwerkranke Patient wegen der unerträglichen Leidenssituation frei und ernsthaft entschieden habe, das Leben zu beenden, und keine zumutbare Alternative, etwa palliativmedizinische Behandlung zur Verfügung stehe.

Die Bundesregierung verweigere die Umsetzung des Urteils „aus Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht“, erklärte Spahn. Karlsruhe prüft, ob das Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Gegen das im November 2015 beschlossene Gesetz sind zahlreiche Verfassungsbeschwerden anhängig. Spahn will die Position der Bundesregierung „im Lichte dieser Entscheidung“ erneut prüfen. Die anstehende Karlsruher Entscheidung werde Rückschlüsse auf die Interpretation des Leipziger Urteils zulassen. Nach seiner Rechtsauffassung könne ein Suizid keinen medizinischen Nutzen haben. „Selbsttötung ist keine Therapie“, so Spahn. „Sie ist vielmehr die unwiderrufliche Selbstzerstörung, nichts anderes.“

Der Bundesgesundheitsminister verwahrt sich gegen den Vorwurf, das Leid von Menschen zu bagatellisieren. Der Staat leiste seinen Beitrag dazu durch eine Verbesserung der palliativmedizinischen Versorgung. „Vermeidbarer Schmerz muss vermieden werden“, sagt Spahn. Auf diesem Gebiet sei in den vergangenen Jahren viel passiert, aber gerade im ländlichen Raum noch nicht genug: „Doch daran arbeiten wir.“

Laut Spahn wurden bisher 111 Anträge beim BfArM gestellt. Alle Antragsteller erhielten daraufhin einen Fragebogen, um ihre konkrete Lage zu schildern. Damit werde dem Willen des Bundesverwaltungsgerichts entsprochen. Das hatte in seiner Urteilsbegründung auf eine „extreme Notlage“ abgestellt. Jeder Fall müsse also individuell geprüft werden. Spahn zufolge wurden 57 Anträge bislang abgelehnt, über die anderen wird demnächst entschieden.

„Würden wir dem Gericht folgen, geriete staatliches Handeln in die Nähe geschäftsmäßiger Beihilfe zum Suizid – was der Gesetzgeber ausdrücklich unter Strafe gestellt hat“, so Spahn: „Mit diesem Konflikt kann ich als Minister die Mitarbeiter im Bundesamt nicht alleinlassen.“ Das Bundesverwaltungsgericht habe nicht gesagt, dass ein Antrag genüge, sondern dass geprüft werden müsse. „Das läuft darauf hinaus, dass Staatsbedienstete am Ende entscheiden müssen, ob menschliches Leiden unerträglich ist. Diese Vorstellung halte ich für abwegig. Der Staat und seine Vertreter sollten in Fragen, bei denen es um Leben und Tod geht, nicht den Wert des Lebens beurteilen. Wo soll das enden?“, fragt sich Spahn.

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