Fragwürdiger Deal oder normales Geschäft?

Spahn hat Privatwohnung von Leyck Dieken gekauft

, Uhr
Berlin -

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) muss sich erneut für seine Seilschaften rechtfertigen: Dass Spahn und Gematik-Chef Dr. Markus Leyck Dieken sich bereits seit langem kennen, ist Branchenkennern kein Geheimnis. Nun hat der Tagesspiegel öffentlich gemacht, dass Spahn seine Privatwohnung in Berlin von Leyck Dieken gekauft hat. Dass er dann „einen alten Freund in einen Top-Job holte“, wie der Tagesspiegel schreibt, dementieren Bundesgesundheitsministerium (BMG) und Gematik allerdings.

Fast eine Million Euro hatte Spahn laut Tagesspiegel für die Wohnung im Stadtteil Schöneberg ausgegeben: Das Grundbuchamt bestätigte der Zeitung, dass der vorherige Besitzer Leyck Dieken war. Ausweislich der Unterlagen habe der Preis 980.000 Euro betragen. Das BMG bestätigte daraufhin, dass sich die beiden zwar „seit vielen Jahren persönlich kennen“, das jedoch bei der Besetzung des Gematik-Postens keine Rolle gespielt habe: „Zu dem Zeitpunkt war Spahn weder Bundesminister für Gesundheit, noch war eine solche Ernennung absehbar, noch hielt das Bundesministerium für Gesundheit damals Anteile an der Gematik“, erklärte ein BMG-Sprecher gegenüber der Zeitung.

Tatsächlich ist Spahn den Unterlagen zufolge seit Anfang Januar 2018 Eigentümer der Wohnung, das Geschäft war nach den Angaben im August 2017 eingefädelt worden. Am 14. März 2018 wurde Spahn Gesundheitsminister, im Sommer 2019 trat Leyck Dieken seine Stelle als Geschäftsführer der Gematik an. So viel zu den Fakten, die feststehen. Bereits zu Zeiten von Leyck Diekens Ernennung gab es an der Personalie Kritik: Zum einen wurde beanstandet, dass Leyck Diekens Gehalt mit rund 300.000 Euro im Jahr fast das Doppelte seines Vorgängers beträgt. Doch auch an der Person rieben sich damals viele: Vor allem von links wurde kritisiert, dass Spahn dem ehemaligen Ratiopharm-Deutschlandchef und Vorstand von Pro Generika einen zentralen Führungsposten im Gesundheitswesen zugeschustert habe.

Zum anderen wurde Spahn bereits damals vorgeworfen, Leyck Dieken über die Köpfe der anderen Gematik-Gesellschafter hinweg installiert zu haben. „Das ist nicht zwingend ein Beispiel für gute Zusammenarbeit“, kritisierte damals die Vorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Dr. Doris Pfeiffer. Denn im Mai 2019 wurde das BMG mit Inkrafttreten des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) zum Mehrheitsgesellschafter der Gematik. Es hält seitdem 51 Prozent an der Gesellschaft und hat damit auch das letzte Wort bei der Ernennung der Gematik-Führung. Leyck-Dieken wiederum trat seinen Posten knapp zwei Monate später an, im Juli 2019.

Das BMG dementiert, dass Spahn maßgeblichen Einfluss auf die Personalie genommen habe. Leyck Dieken habe sich „in einem offenen, transparenten Verfahren“ gegen sieben weitere Bewerber durchgesetzt. Dabei habe der Personalberater Kienbaum Consulting die Suche nach einem neuen Geschäftsführer umgesetzt, auch Leyck Diekens Vergütung von 300.000 Euro im Jahr sei auf Grundlage einer Kienbaum-Analyse über die Vergütung vergleichbarer Positionen festgesetzt worden und „markt- und leistungsgerecht“.

Leyck Dieken hat die Kritik an seinem Einkommen ebenfalls zurückgewiesen. Er habe im Vergleich zu seiner vorherigen Anstellung sogar Gehaltseinbußen hingenommen und die Stelle aus der Überzeugung heraus angetreten, dass es notwendig sei, die Digitalisierung im Gesundheitswesen voranzutreiben.

Sowohl BMG als auch Gematik haben demnach bestätigt, dass Spahn und Leyck Dieken sich bereits vor vielen Jahren bei einer politischen Dialogveranstaltung zur Arzneimittelversorgung kenngelernt haben und seitdem regelmäßigen persönlichen Kontakt pflegen. Über den Wohnungskauf hinaus gab und gebe es keine wirtschaftlichen, geschäftlichen, vertraglichen Kontakte oder Beziehungen zwischen beiden. Den Wohnungskauf selbst haben die beiden aber laut Tagesspiegel nur widerwillig eingeräumt – erst nachdem die Autoren ihnen die Grundbuch-Informationen vorhielten.

Nicht nachvollziehbar ist dem Bericht zufolge darüber hinaus noch, inwiefern der Preis von einer knappen Million Euro marktüblich ist. Weder Spahn noch Leyck Dieken hätten auf Anfrage Angaben zur Wohnungsgröße gemacht, dem bezirklichen Bauamt lägen diese Informationen nicht vor. Aus früheren Medienberichten geht jedoch hervor, dass es sich um eine weitläufige Dachgeschoss-Maisonette-Wohnung mit Holzböden und hohen Wänden handele, in der zeitweilig auch FDP-Chef Christian Lindner gewohnt hatte.

Die Frage nach dem Kaufpreis für die Wohnung ist vor allem vor dem Hintergrund eines anderen umstrittenen Geschäfts Spahns interessant: Im Sommer hatte er gemeinsam mit seinem Ehemann Daniel Funke für mehrere Millionen Euro eine Villa im noblen Berliner Vorort Dahlem gekauft. Bereits zur Zeit des Kaufs war spekuliert worden, ob er dafür seine Schöneberger Privatwohnung veräußern musste. Die Recherchen des Tagesspiegels belegen nun, dass er das nicht musste. Seit Oktober ist er auch als Eigentümer der Villa in Dahlem eingetragen.

Als der Deal und die Fragen zu Preis und Herkunft der Millionen bekannt wurden, reagierte Spahn, indem er mehreren Medien – darunter APOTHEKE ADHOC – per einstweiliger Verfügung untersagte, den Kaufpreis zu nennen. Der Gesundheitsminister, der sich mitten in der größten Gesundheits- und Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten eine denkmalgeschützte Millionenvilla kaufte, bekräftigt darin seine Ansicht, dass es sich dabei um eine reine Privatangelegenheit ohne öffentliches Interesse handele. Das Amtsgericht Schöneberg hat nun bekräftigt, dass der Presse im Rahmen journalistischer Recherche eine Auskunft aus dem Grundbuch nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wie des Bundesverfassungsgerichts zusteht.

 

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr zum Thema
Bauernprotest kein Positivbeispiel
Overwiening: Gebrüll bringt keine Erfolge
Webinar und Werbematerial für Apotheken
CardLink: Gesund.de wirbt mit „Halts dran, habs drauf“
Mehr aus Ressort
Podcast NUR MAL SO ZUM WISSEN
Der Panikminister im Vakuum
Parlamentarier ansprechen
Preis schwört Apotheken ein

APOTHEKE ADHOC Debatte