Apothekenzahlen

Sinkflug beschleunigt: 327 Apotheken weniger

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Berlin -

Der Rückgang der Zahl der Apotheken hat sich im vergangenen Jahr weiter beschleunigt: Seit der Wiedervereinigung war der Nettoverlust noch nie so groß wie 2017. Nach vorläufigen Zahlen der Kammern sank die Zahl der Apotheken um 327 auf 19.696 Betriebsstätten – ein Allzeittief seit den 80er Jahren.

Grundlage sind die Zahlen der Apothekerkammern; aus Bayern, Berlin und Sachsen-Anhalt lagen keine Angaben vor; hier wurde die Entwicklung auf Basis der anderen Kammerbezirke hochgerechnet. Insgesamt sank die Apothekenzahl 2017 um 1,63 Prozent. Prozentual fällt der Rückgang wieder am deutlichsten in Hamburg, in Bremen und im Saarland aus. In absoluten Zahlen gab es die größten Rückgänge – wie schon im Vorjahr – in den großen Kammerbezirken Baden-Württemberg, Nordrhein und Westfalen-Lippe, aber auch in Rheinland-Pfalz. Nur in einem Bundesland gab es keine Verluste: In Brandenburg blieb die Apothekenzahl mit 575 im zweiten Jahr in Folge unverändert.

Nach wie vor größter Kammerbezirk bleibt Bayern mit geschätzt 3155 Apotheken, das sind rund 50 Apotheken weniger als Ende 2016. Laut Gesundheitsministerium gab es Ende September 3191 Apotheken im Freistaat. In Baden-Württemberg gab es am 31. Dezember 2506 Apotheken. Vor einem Jahr waren es noch 2547 Apotheken. Das ist ein Rückgang von 1,6 Prozent.

In Nordrhein sank die Zahl der Apotheken um 45 auf 2237 Apotheken. Damit fiel hier der Verlust deutlich höher aus als im Vorjahr, als die Apothekenzahl um 29 auf 2282 sank. In Niedersachsen gab es 38 Schließungen und 13 Eröffnungen. Damit gab es Ende 2017 noch 1935 Apotheken, das sind 25 weniger als im Jahr zuvor. In Westfalen-Lippe gab es bereits 2016 erstmals seit 1980 wieder weniger als 2000 Apotheken: Dieser Trend hat sich 2017 verstärkt. Hier schlossen netto 25 Apotheken. Damit sank die Apothekenzahl im Kammerbezirk um 1,25 Prozent auf 1973.

In Rheinland-Pfalz gab es Ende 2017 noch 1002 Apotheken, davon 774 Hauptapotheken und 228 Filialen. Ein Jahr zuvor gab es mit 1024 noch 22 Apotheken mehr. In Hessen gab es 25 Schließungen und zehn Neueröffnungen. Damit sank die Zahl der Apotheken von 1502 auf 1485.

Prozentual am härtesten betroffen von den rückläufigen Apothekenzahlen sind mit Rückgängen von 6,78 Prozent Hamburg (385 Apotheken, minus 28) sowie mit 5,23 Prozent Bremen (145 Apotheken, minus 8) und mit 2,59 Prozent das Saarland (301 Apotheken, minus 8).

In Sachsen gab es mit 0,61 Prozent eine relativ geringen Rückgang von 988 auf 982 Apotheken. In Schleswig-Holstein sank die Apothekenzahl um 18 auf 658 und in Thüringen um 8 auf 546. In Mecklenburg-Vorpommern gab es Ende 2017 mit 404 Apotheken zwei Apotheken weniger als Ende 2016 (minus 0,49 Prozent)

Ein weiterer Trend lässt auch aus dieser vorläufigen Statistik ablesen. Die meisten Apotheken schlossen proportional in den Stadtstaaten. Unterdurchschnittliche Verluste verzeichneten hingegen ostdeutsche Kammerbezirke wie Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen.

Bereits im ersten Halbjahr 2017 war die Apothekenzahl klar unter die 20.000er-Marke gesunken. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt kommentierte die Zahlen so: „Immer mehr Apothekeninhaber geben auf. Es tut weh, wenn selbstständige Apotheker entweder wirtschaftlich dazu gezwungen sind oder einfach keine pharmazeutische Perspektive mehr sehen.“ Der Verlust an selbstständigen Apothekern schmerze deshalb besonders, weil Freiberuflichkeit und Gemeinwohlpflicht untrennbar miteinander verbunden seien. „Jeder Inhaber trägt die volle Verantwortung und gibt der Apotheke ein Gesicht“, so Schmidt.

Laut ABDA-Statistik sank die Zahl der Apotheken in der ersten Jahreshälfte 2017 auf 19.880. Das war der niedrigste Stand seit 1988. Seit Jahresende 2016 hatte in den ersten sechs Monaten sich die Apothekenzahl von 20.023 um 143 reduziert. In der zweiten Jahreshälfte hat sich dieser Trend offenbar leicht beschleunigt.

Insgesamt fällt auf, dass die Zahl der Apotheken schneller sinkt als von der ABDA prognostiziert. Die Geschäftsstelle in Berlin hatte vor zwei Jahren die Entwicklung seit 2011 statistisch fortgeschrieben und für Ende 2016 noch mit 20.107 Apotheken gerechnet. Tatsächlich waren es bereits damals 75 weniger. Ende 2017 sollten nach ABDA-Schätzung noch 20.004 Betriebsstätten die Arzneimittelversorgung gewährleisten. Jetzt sind es mit etwa 19.696 sogar 300 weniger. Für Ende 2018 hatte die ABDA 19.942 Betriebsstätten prognostiziert. Auch diese Annahme ist bereits hinfällig.

Die Zahl der Apotheken geht damit seit dem Höchststand mit 21.602 Betriebsstätten im Jahr 2008 kontinuierlich zurück. Innerhalb der vergangenen neun Jahre haben netto rund 1900 Geschäfte aufgegeben, das entspricht einem Rückgang von 8,7 Prozent.

Die Zahl der selbstständigen Apothekenleiter war bereits 2015 unter 16.000 gesunken: Sie lag mit 15.968 ein Viertel unter dem Rekordwert aus dem Jahr 2000, als es noch 21.592 Inhaber gab. Ende 2016 gab es laut ABDA-Statistik noch 15.607 Hauptapotheken und 4416 Filialen.

Das vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) in Auftrag gegebene Honorargutachtern prognostiziert zudem einen weitere Rückgang der Apothekenzahl: Die Gutachter halten 7600 Apotheken für „wirtschaftlich gefährdet“. „Das sind insgesamt circa 47 Prozent aller Apotheken-Unternehmen, die in ihrem Brutto-Betriebsergebnis keinen angemessenen Unternehmerlohn im Vergleich zu einem Krankenhausapothekenleiter realisieren“, so das Gutachten. Damit sei knapp die Hälfte der Apotheken für eine Übernahme „wirtschaftlich eingeschränkt attraktiv“. Etwa 2600 Apotheken sei es bereits 2015 „sehr schlecht“ gegangen.

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